Wandelten wir vor kurzem auf den Spuren der Holländer und Hugenotten in Potsdam, ging es heute etwas spezifischer auf den Spuren von Friedrich Wilhelm II. (FWII) durch den Neuen Garten.
Wir trafen uns am Haupteingang an der Ecke Alleestr./Birkenstr., der von zwei Portiershäuschen im holländischen Stil mit pagodenartige
Zuerst stimmt uns Frau Arndt mit Hinweisen zum Leben von Friedrich Wilhelm II. (*25.Sept. 1744 †16.Nov. 1797/König von Preußen ab 17.Aug. 1786) ein:
(siehe auch Wikipedia-Artikel)
- Sohn von Prinz August Wilhelm zu Preußen und Prinzessin Luise Amalie von Braunschweig-Wolfenbüttel.
- als 3-jähriges Kind wurde er auf Anweisung von Friedrich II. („Friedrich der Große“/ FdG / älterer Bruder des Vaters) der Obhut seiner Eltern entzogen, da er aufgrund fehlender Nachkommen von FdG als Nachfolger des Königs auserkoren wurde.
1758 wurde er offiziell zum Thronfolger ernannt. - Erziehung durch Nikolaus de Béguelin – Mathematiker und Rechtswissenschaftler und Direktor der Philosophischen Klasse der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin – sowie durch weitere bekannte Gelehrte.
- Die Ausbildung prägte sein Verständnis eines absolutistischen Königtums, aber auch sein Interesse für Spiritismus und Okkultismus. 1781 trat er dem Gold- und Rosenkreuzorden bei.
- Wie sein Vorgänger FdG war er musikalisch begabt, spielte leidenschaftlich Cello und unterhielt mit 70 Musikern eine der größten Hofkapellen der damaligen Zeit.
Er unterstütze das deutsche Musik- und Theaterschaffen, so wurden die Dramen von Schiller und von Gotthold Ephraim Lessing am Hofe aufgeführt.
FWII versuchte, den französischen Einfluss möglichst auch auf anderen Gebieten zurückzudrängen. -
Zu seinen politischen Aktivitäten finden wir folgende Aussage in einem Wikipedia-Artikel:
„Friedrich Wilhelm traf in seiner Position als typischer Vertreter des Ancien Regime auf die neuen Strömungen von Aufklärung und Französischer Revolution. Diesen Herausforderungen, die einher gingen mit einer Legitimationskrise der traditionellen Monarchie, war er als Absolutist in keiner Weise gewachsen. Aus Angst vor einem Export der Revolution reagierte Friedrich Wilhelm daher nicht mit dringend notwendigen politischen und gesellschaftlichen Reformen, wie sie erst nach der Niederlage gegen Napoleon umgesetzt wurden (siehe Preußische Reformen). Auf der anderen Seite sind bereits im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten Anfänge einer rechtsstaatlichen Struktur zu erkennen, die zwar zu großen Teilen noch unter Friedrich II. erarbeitet worden war, aber von Friedrich Wilhelm II. im Jahr 1794 in Kraft gesetzt wurde und bis 1900 Gültigkeit hatte. Darüber hinaus sicherte Friedrich Wilhelm mit dem Religionsedikt vom 9. Juli 1788 seinen Untertanen Religionsfreiheit zu. Positiv aus preußischer Sicht waren auch seine Gebietsgewinne aus der Zweiten und Dritten polnischen Teilung.“ - Allerdings führten seine Kriege und seine Präsentationssucht zu einer erheblichen Staatsverschuldung. Wies der Staatsschatz bei seiner Übernahme noch ein Vermögen von 51 Mio. Talern auf, war am Ende seiner Regierungszeit ein Defizit von 48 Mio. Talern entstanden.
- Permanentes Gesprächsthema damals war sein „Liebesleben“, das ihm auch den Beinamen „Der dicke Lüderjahn“ (Taugenichts) einbrachte:
– erste Zwangsehe mit Elisabeth Christine Ulrike von Braunschweig-Wolfenbüttel (1765-1769)
– zweite Zwangsehe mit Friederike Luise von Hessen-Darmstadt (1769-1797), aus der der spätere König Friedrich Wilhelm III. hervorging
– seine Verbindung mit Wilhelmine Encke (1753-1820)
— 1764 erste Begegnung
— 1770 erstes Kind von FWII
— 1777 Ernennung zur „offiziellen“ Mätresse
jährlichen Apanage von 30.000 Talern
Haus in Charlottenburg als Geschenk.
— 1779 Geburt des Sohnes Friedrich Wilhelm Alexander.
— 1782 Auflösung der Mätressen-Beziehung,
weiterhin jedoch einflussreiche Beraterin
— 1796 Ernennung zur „Gräfin von Lichtenau“
– erste morganatische Ehe mit Julie von Voß (1787-1789),
spätere Gräfin von Ingenheim
– zweite morganatische Ehe mit Sophie von Dönhoff (1790-1792)
– unzählige weitere Mätressen.
Anschließend ging Frau Arndt auf den Park selbst ein. Auf der Internetseite der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), die den Park verwaltet, finden wir folgende Erläuterung zum Park:
„Der 102,5 ha große Neue Garten liegt im Norden Potsdams am Jungfernsee. Über das Wasser hinweg bestehen gestalterische Verbindungen zu den Gärten von Sacrow, Pfaueninsel, Glienicke und Babelsberg, wodurch er eine zentrale Rolle in der Gartenlandschaft erhält. Trotz Überformung durch Lenné hat er noch sentimentale Einzelpartien aus der Entstehungsphase vor 1800 bewahrt
Seine Geschichte fängt mit dem Ankauf eines zentralen Grundstückes durch den Kronprinzen Friedrich Wilhelm (II.) an. Im Jahre 1787, ein Jahr nach dem Regierungsantritt, begann die Anlage des Neuen Gartens, der seinen Namen programmatisch in der Abkehr vom alten Barockpark Sanssouci erhielt. Als Gestalter wurde der Wörlitzer Gärtner Johann August Eyserbeck verpflichtet, was die Umsetzung der an englischen Gärten orientierten Idealvorstellung Friedrich Wilhelms garantierte.
Ungünstig für den einheitlichen Charakter des Gartens war der sich über mehrere Jahre hinziehende Grundstücksankauf. Neben einbezogenen ehemaligen Wohnhäusern entstanden zwischen 1787 und 1792 wichtige neue Bauten im Garten, von denen heute noch viele bestehen: Marmorpalais, Küche in Form einer römischen Tempelruine, Gotische Bibliothek, Schindelhaus, Orangerie, Grotte, Meierei, Pyramide (Eiskeller) und das holländische Etablissement. Vor letzterem verläuft, begleitet von Pyramidenpappeln (seit 1864 Pyramideneichen), ein Musterstück für den preußischen Chausseebau. In der Gartenanlage entstand eine Fülle von Partien unterschiedlicher sentimentaler Prägung, die von den jeweiligen Bauten oder Pflanzungen in ihrem Charakter bestimmt werden.
1816 überarbeitete Peter Joseph Lenné im Auftrag des Thronfolgers den zugewachsenen und unmodern gewordenen Garten. Unter Erhalt vieler Bereiche und Entfernung zu dichter Gehölze bekam der Neue Garten große Sichten und Wiesenräume, gefälligere Wegeführung und vor allem die Blickverbindungen zu den Nachbargärten (Sacrow, Pfaueninsel, Glienicke, Babelsberg, Potsdam, Pfingstberg). Trotz kleinerer Veränderungen zur Kaiserzeit und durch Rücknahme von Einbauten aus der Zeit der russischen Nutzung (1945–1954) hat sich noch immer die von Lenné geplante Grundstruktur bewahrt.“
Entlang der mit Pyramideneichen gesäumten Hauptallee im Park ging es zum „Holländischen Etablissement“, ehemals vier Kavaliershäuser, ein Pferdestall, eine Remise für die Kutschen und ein Damenhaus. Alle Häuser sind aus rotem Ziegel mit holländischen Giebeln erbaut, ein Beleg für die traditionelle Verbindung der Hohenzollern mit Holland. Das Kavaliershaus mit dem fantasievollen Vorbeet wurde zu Zeiten von FWII „Damenhaus“ genannt. Wie es hieß, „präparierten“ sich in dem hübschen holländischen Haus die Favoritinnen der Nacht für ihren Auftritt beim König. Heute wohnen Angestellte der SPSG in den Häusern, die sie jedoch nach ihrem Ausscheiden aus den Diensten der SPSG wieder verlassen müssen.
Vom Ufer des Heiligen Sees hatten wir einen schönen Blick auf die „Gotische Bibliothek“. Die Bibliothek beherbergte die Büchersammlung von FWII: unten die französischen, oben die deutschen Werke. Das Gebäude wurde zur Potsdamer Tausendjahrfeier 1993 aufwendig renoviert.
Dem Uferweg folgend kamen wir zur unseren nächsten Sehenswürdigkeiten:
Die Schlossküche wurde 1788/90 in Form einer künstlichen Ruine mit der Vorderfront zum See erbaut und mit einem unterirdischen Gang mit dem Marmorpalais verbunden. Ein von Erdmassen verschütteter halbversunkener Tempel. Damals wurden Küchen wegen der Gerüche oft außerhalb der Gebäude errichtet.
Das „Marmorpalais“ enstand nach Plänen von Carl von Gontard und Carl Gotthard Langhans, der vor allem für den Innenausbau des kleinen Schlosses verantwortlich war. Ein Werk im Stil des Frühklassizismus, mit diesem Gebäude hielt die im übrigen Europa längst verbreitete Stilrichtung auch in Berlin-Brandenburg Einzug und leitete den künstlerischen Epochenwechsel ein.
Das Palais ist an der Vorderfront mit aufwendigen Blumenbeeten geschmückt und hat einen schönen Säulengang. Im Innern wurde es vor kurzem renoviert.
Text von der Internetseite der SPSG:
„Die Inneneinrichtung des Marmorpalais, u. a. von Carl Gotthard Langhans entworfen, ist von antikem Formengut beeinflusst. Zahlreiche Marmorkamine und antike Skulpturen wurden dafür eigens in Italien erworben. Die Räume entstanden zudem in enger Beziehung zu der ländlichen Idylle der Umgebung. So wurden z.B. aus einheimischen Hölzern kostbare Intarsien und hochwertige Holzfußböden geschaffen. Die kostbare Ausstattung wird darüber hinaus durch die feinen Seidenbespannungen und die zwei Standuhren aus dem Nachlass der Madame Pompadour sowie die umfangreiche Sammlung hochwertiger Keramikvasen aus der englischen Wedgwood-Manufaktur bereichert.
Das ganz aus verschiedenfarbigem Marmor gestaltete Vestibül, der unmittelbar am Wasser gelegene Grottensaal sowie der eindrucksvolle Konzertsaal bilden die Höhepunkte der zum Großteil noch im Original erhaltenen frühklassizistischen Räume des Schlosses.“
Für die Innenräume hatten wir heute leider keine Zeit (nachstehende Fotos von den Internetseiten der SPSG (copyright SPSG)):
Nachtrag: Übrigens, nur 10 Tage später feierte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten den Abschluss der Renovierungen im Marmorpalais. Siehe dazu den Artikel des Tagesspiegels vom 03.09.2018.
Die Urne für Wilhelm Moritz Alexander von der Mark wurde für den 1787 gestorbenen 8-jährigen Sohn aus der Beziehung mit Wilhelmine Encke dicht beim Palais aufgestellt.
Nach der Thronbesteigung 1786 hatte FWII seinen illegitimen Sohn und dessen Schwester Marianne von der Mark mit dem gräflichen Titel des 1609 ausgestorbenen und von den preußischen Hohenzollern beerbten Hauses Mark in den Adelsstand erhoben.
Das 1788/89 von Johann Gottfried Schadow geschaffene Grabmal ist heute in der Alten Nationalgalerie ausgestellt.
Gleich daneben plätschert der „Brunnen des Hades“.
Nach dem anstrengenden Aufstieg auf den „Kaninchenberg“ ging es vorbei am „grünen Haus“ zur „Muschelgrotte“. Diese entstand 1791/1792, der Aufenthaltsort für warme Sommertage sollte nach außen wie von der Natur erschaffen wirken. Die drei Kabinette im Innern wurden mit Spiegeln, farbigen Glasarbeiten und Muscheln ausgeschmückt, sie werden derzeit renoviert. Die 1796 in der Nähe errichtete kleine „Borkenküche“, 1958 wegen Baufälligkeit abgetragen, wurde 2012 wiedererrichtet. Das runde Waldhäuschen ist mit Schilfrohr gedeckt und mit Eichenrinde verkleidet, auf dem Dach weilt eine „hölzerne Eule“.
Als wir am „Cecilienhof“ ankamen, war dieser leider schon geschlossen. Die Renovierung der Außenwände und des Daches mit seinen 55 Schornsteinen ist gerade abgeschlossen.
Das Schloss Cecilienhof, ein Gebäudeensemble im englischen Landhausstil, entstand in den Jahren 1913–1917 nach Plänen des Architekten Paul Schultze-Naumburg. Der letzte Schlossbau der Hohenzollern wurde unter Kaiser Wilhelm II. für seinen Sohn Kronprinz Wilhelm und dessen Gemahlin Cecilie aus dem Haus Mecklenburg-Schwerin errichtet.
Weltgeschichtlich bekannt wurde Cecilienhof als Ort der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945.
Auf dem Rückweg stießen wir zuerst auf ein „Mammut“, dann ging es an der „Pyramide“ vorbei, die Verkleidung eines Eiskellers, der 1791/92 in dieser Form errichtet, 1833 in der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm III. durch den Baumeister Albert Dietrich Schadow umfassend umgebaut wurde. Die erneut verwendeten Originalsteine mit Hieroglyphen sind nur Zierde ohne jegliche Bedeutung. Das Eis wurde im Winter aus dem Heiligen See herausgeschnitten und in dem 5 Meter tiefen Eiskeller eingelagert. Die Kälte hielt sich dort bis in den Sommer.
Vorbei am Marmorpalais, wo wir die hübsch angelegten Beete an der Vorderfront bestaunten, und fasziniert über die Pflege eines „Teppich-Spiels“ diskutierten, ging es zum „Obelisken“, der 1793/94 aus blaugrauem Marmor nach einem Entwurf von Carl Gotthard Langhans errichtet wurde. Die vier Reliefmedaillons wurden von den Gebrüdern Wohler und Johann Gottfried Schadow gearbeitet und stellen Männerköpfe in verschiedenen Lebensaltern dar. Diese sollen die vier Jahreszeiten symbolisieren.
Die letzte Sehenswürdigkeit auf unserem Weg war die 1791/93 erbaute „Orangerie“ mit dem „Ägyptischen Portal“, eine Sphinx und zwei schwarz gefärbte Statuen ägyptischer Götter von Johann Gottfried Schadow bewachen das Gebäude. Im Mittelteil des langgestreckten Gebäudes befindet sich der holzgetäfelte Palmensaal, in dem FWII Cello-Konzerte aufführte. Heute ist im Portal ein Cafe untergebracht, das uns Frau Arndt wärmstens empfahl. (Nachtrag: Meine Frau bestand natürlich umgehend auf eine Überprüfung nur wenige Tage später – wir können der Empfehlung nur beipflichten!)
Da das Café schon geschlossen hatte, stärkte sich ein Großteil unserer Gruppe nach dem circa 4 km langen, 2-stündigen Spaziergang in „Matschkes Café“ (Alleestr. 10). Auch dieses kann bestens Gewissens empfohlen werden.
Michael Tunnat / Fotos: Werner Siepmann
Interessante Links zum Internet:
Wikipedia-Artikel über Friedrich Wilhelm II.
Wikipedia-Artikel über Wilhelmine Encke
SPSG-Artikel zum Neuen Garten
Wikipedia-Artikel zum Neuen Garten mit Beschreibung der Gebäude
SPSG-Artikel zum Cecilienhof
Fotos und Erläuterungen Neuer Garten, Gedenkstätte Leistikowstr. und Belvedere