Heute ging es mit Herrn Marcus Reinhold zu Fuß durch Potsdam. Ziel waren vorrangig Gebäude und Einrichtungen der Holländer bzw. Hugenotten, die auf die Geschichte dieser „Einwanderer“ bzw. „Flüchtlinge“ hinweisen und teilweise das Stadtbild des heutigen Potsdams prägen. Aber auch andere Sehenswürdigkeiten sollten noch besichtigt und erläutert werden. Wir trafen uns vor der Stadt- und Landesbibliothek, Am Kanal 47, in Sichtweite des Stadtschlosses und der Nikolaikirche.
Als erstes wurde uns noch einmal die Geschichte des Stadtschlosses in Erinnerung gebracht. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640-1688) hatte 1660 das bis dahin „verpfändete“ Potsdam aus den „Klauen“ der Adelsfamilie Hacke ausgelöst und begann mit einem Wiederaufbau der Stadt. So ließ er das alte, heruntergekommene Schloss abreißen und ein neues bauen. Dieses Schloss war die Grundlage für das später mehrfach umgebaute „Stadtschloss“. Die heutige 2014 fertiggestellte Rekonstruktion ist der Sitz des Brandenburger Landtages.
Unsere ersten Schritte führten uns über die Straße zum „Platz der Einheit“. Dieser ist einer der ältesten Plätze der Stadt. Ursprünglich befand sich dort eine große Wasserfläche, genannt der Faule See. Im Verlauf der ersten Stadterweiterung durch den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. wurde dieser See ab 1724 zugeschüttet und schrittweise mit Bürgerhäusern umbaut. Das Gelände musste erst entwässert und dann gefestigt werden, dafür wurden viele gerade Kanäle gezogen und das Areal mit Baumstämmen und Sand aufgefüllt. Heute ist der Platz eine Grünfläche mit dem Denkmal für die Opfer des Fachismus und dem Deserteurdenkmal. Letzteres wurde hier 1990 aufgestellt zur Erinnerung an die 22.000 Soldaten, die während des Nationalsozialismus von der Armee desertierten und deswegen zum Tode verurteilt wurden.
Der nächste Stopp war die „Große Stadtschule“ (Friedrich-Ebert-Straße 17). Auf der Internetseite der Stadt Potsdam finden wir dazu folgende Beschreibung:
„Es war nur eine Schule, die Friedrich Wilhelm 1738-1739 bauen ließ. Eine „moralische Anstalt“, die einen positiven Einfluss auf die sehr heterogen zusammengesetzte Bevölkerung der jungen Garnisonstadt ausüben sollte. Und dennoch ist diese letzte Schulneugründung der Königs in Potsdam eines der bedeutendsten städtischen Gebäude aus der Zeit dieses Königs und neben dem Kommandantenhaus der einzige repräsentative Bau der zweiten barocken Stadterweiterung. Und sie trägt die verschlungenen Initialen des Königs „FWRB“ in vergoldetem Kupfer am Balkon: Fridericus Wilhelmus Rex Borussiae.
Der hohe, zweigeschossige Putzbau unter einem steilen Mansardendach mit 13 Fensterachsen sowie einer vorgeblendeten Säulenarchitektur an den Seitenrisaliten und am Mittelrisalit überragt die umliegenden barocken Typenhäuser deutlich. Der Mittelrisalit wird durch einen Balkon und durch die vasenbekrönte Attika betont.
In den Anfangsjahren der Schule unterrichteten zwei Lehrer die beiden Klassen. Erst 1812 wurde die Stadtschule vergrößert und erhielt die offizielle Anerkennung als Gymnasium. Namhafte Schüler der Großen Stadtschule waren unter anderem der Revolutionär Maximilian Dortu, der Mathematiker Carl Gustav Jacobi, der Naturwissenschaftler Hermann von Helmholtz und der Dichter Heinrich von Kleist. Noch immer Schule, beherbergt der Bau heute eine Einrichtung des zweiten Bildungsweges.
Der Name „La Grande Ecole“ für diese Schule ist wohl eine Erfindung der Nachgeborenen. Friedrich Wilhelm war kein Freund der französischen Sprache, wie er denn auch gern über alles Französische spottete.“
Bald darauf erreichten wir das Holländische Viertel. Bereits der große Kurfürst hatte holländische Fachleute, insbesondere Damast- und Seidenweber nach Potsdam gelockt. Friedrich Wilhelm I. (der „Soldatenkönig“) ließ zwischen 1734 und 1740 im Rahmen der zweiten barocken Stadterweiterung von holländischen Baumeistern unter Leitung des Architekten Johann Bouman 134 Häuser in vier Karrees im holländischen Stil erbauen, um den angeworbenen Fachkräften für die Entwässerung der Stadt ein Stück Heimat zu bieten und weitere anzuwerben. Das Ziel wurde jedoch nicht erreicht, bei Fertigstellung lebten nur noch 22 Familien in dem Viertel, viele Holländer waren wieder weggezogen, Arbeit und Lebensbedingungen entsprachen nicht ihren Vorstellungen.
Das Jan Boumann Haus ist ein Museum. Das Giebelhaus mit seinem typischen Baustil weist, verglichen mit anderen Häusern in diesem Viertel, den größten Bestand originaler Bausubstanz aus der Zeit um 1735 auf. Das restaurierte Ensemble von Vorderhaus, Hof, Fachwerk-Hofgebäude und Hausgarten ist in seiner ursprünglichen Form erlebbar. Der Besuch des Hauses wurde uns sehr empfohlen, leider hatten wir diesmal keine Zeit dafür.
Das Holländische Viertel ist heute auch wegen seiner vielen kleinen Läden und Manufakturen ein großer Anziehungspunkt für Touristen.
Nur ein paar Ecken weiter stießen wir auf die Hugenotten in Form der französischen Gemeinde und der französischen Kirche. Die Geschichte der Hugenotten in Potsdam beginnt mit dem 1685 vom Großen Kurfürsten erlassen „Edikt von Potsdam“, in dem er den aus Frankreich vertriebenen protestantischen Hugenotten Asyl und wirtschaftliche Privilegien gewährte. Seit dem kurz vorher vom französichen König Ludwig XIV. erlassenen Edikt von Fontainebleau wurden die Hugenotten in Frankreich wieder verfolgt und schikaniert. Von den damals geschätzten 200 000 aus Frankreich geflohenen Hugenotten zog es circa 20 000 nach Brandenburg, um 1700 soll jeder 3.Einwohner in dieser Region ein Franzose gewesen sein! Die Zuwanderung der Hugenotten hatte einen bedeutenden Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung Preußens, auch auf die Sitten und Gebräuche der Bevölkerung.
Die „Französisch-Reformierte Gemeinde in Potsdam“ hat ihr Gemeindehaus in der Gutenbergstr. 77. Im Garten des Hauses gab uns die Pastorin Frau Hildegard Rugenstein einen kurzweiligen Einblick ins Leben der Kirchengemeinde, deren Glaubensgrundlage u.a. die Lehren von Calvin sind und die in Form eines Presbyteriums (= kollektive Leitung) geführt wird. „Reformiert nennen wir uns, weil es uns weiter darum geht, unsere Gemeinde stets so zu erneuern, dass unser Erbe nicht konserviert, sondern einladend aktualisiert wird.“
Weitere Informationen zur Gemeinde kann man derem Internet-Auftritt entnehmen: Link.
Natürlich stand als nächstes der Besuch der französischen Kirche, des „Temples“ an. Sie befindet sich am östlichen Rand des Bassinplatzes, wurde von Friedrich II. finanziert und 1751-53 gebaut. Es ist der einzige Kirchenbau, an dem die beiden bedeutendsten preußischen Baumeister, G.W.von Knobelsdorff (Gebäude) und K.F.Schinkel (Renovierung der Innenausstattung), wirkten. Der ovale Bau ist überaus originell – eine freundliche helle Kirche ohne Altar, Bilder und Kreuze, mit klaren Fenstern. Zwei allegorische Figuren des Bildhauers Friedrich Christian Glume stehen am säulengeschmückten Portal: Caritas (Liebe, Wohltätigkeit) und Spes (Hoffnung). Die Kirche wurde 2003 vollständig restauriert, ebenso die Grüneberg-Orgel.
Ein ausführliches Video zur Kirche mit Erläuterungen der Pastorin finden Sie hier.
Bevor wir uns vom Holländischen Viertel verabschiedeten, sahen wir uns noch den Ehrenfriedhof für gefallene russische Soldaten mit dem Denkmal am Bassinplatz an.
Auf der Internetseite der Stadtverwaltung findet man folgende Erläuterung:
„1946 begann die damalige Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD), im Zentrum Potsdams einen Ehrenfriedhof für die in den letzten Kriegstagen in und um Potsdam gefallenen und bis 1947 an den Kriegsfolgen gestorbenen Soldaten der Sowjetarmee anzulegen. 383 Armeeangehörige haben auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sterbedaten nach 1945 können sich auch auf die Umbettung aus „Feld und Flur“ beziehen. Im Zuge der Errichtung des Friedhofs wurde von Oktober bis Dezember 1946 die „Gloriette“ auf dem Bassinplatz abgerissen. Die Gloriette, ein Pavillon (von 1739) aus Backstein im holländischen Stil, der ursprünglich auf einer Insel stehend das Zentrum des 1890 zugeschütteten barocken Bassins an diesem Ort bildete. 1949 wird mit der Errichtung eines zentralen Denkmals des Bildhauers A. Brahms die Gestaltung zum Sowjetischen Friedhof beendet. Das 14 m hohe Denkmal aus Lausitzer Granit besitzt im Sockelbereich Soldatenplastiken, welche die vier Waffengattungen der Roten Armee darstellen. Im Eingangsbereich des Friedhofs stehen zwei Granitstelen mit aufgesetzten Flammenschalen aus Bronze. Die Grabsteine auf dem Friedhof wurden in zwei Gestaltungsvarianten aus rotem Betonwerkstein hergestellt. Den überwiegenden Grabmaltyp bildet ein fünfeckiger Stein mit Sockel, auf dessen Ansicht erhaben ein fünfzackiger Stern dargestellt ist. Die Inschriften sind in die Flächen des Sterns vertieft eingearbeitet. Der zweite Grabmaltyp (für Offiziere) besitzt eine Trapezform, auf dessen Oberseite ein fünfzackiger Stern aufgesetzt ist. Die Inschriften sind ebenfalls vertieft eingearbeitet. Die Gleichförmigkeit der Anlage wird durch mehrere individuell gestaltete Grabmale aus Naturstein von teilweise erheblicher Dimension sowie aufwendiger Gestaltung unterbrochen. Alle Grabstätten besitzen eine offene Betoneinfassung, die dicht mit Efeu bepflanzt ist. Die Gesamtanlage steht seit 1987 unter Denkmalschutz. Das zentrale Denkmal und die Grabsteine wurden, beginnend Ende der neunziger Jahre bis 2001, grundlegend saniert und teilweise erneuert. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich vertraglich zur dauernden Erhaltung der sowjetischen Kriegsgräber verpflichtet. Der Friedhof auf dem Bassinplatz steht in Trägerschaft der Stadt Potsdam. An Gedenktagen, wie dem Tag der Befreiung und dem Volkstrauertag, wird mit offiziellen Kranzniederlegungen der Kriegstoten gedacht.“
Dann ging es entlang der Charlottenstr. vorbei am Klinikum „Ernst von Bergmann“ zu den Resten des „Berliner Tores“ an der Ecke Berliner Str./Türkstr.. Das Berliner Tor war ein barockes Stadttor, es wurde 1752 auf Befehl Friedrichs des Großen von Jan Boumann nach dem Vorbild des antiken Sergierbogens im heutigen Pula errichtet. Die Attika war mit vier Statuen von Johann Gottlieb Heymüller geschmückt und zeigte zwei Legionäre sowie die Götter Minerva und Bellona. An beiden Seiten schlossen sich zwei Torhäuser für eine Militärwache und einen Steuerinspektor an. Das Tor wurde 1901 um einige Meter versetzt, um dem zunehmenden Verkehr Rechnung zu tragen. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau beschädigt. Der intakte Torbogen wurde 1951 als Verkehrshindernis von der Potsdamer Stadtverwaltung abgerissen. Das südliche Torhaus ist noch erhalten, ebenso sind die Attikafiguren im Depot der Schlösserstiftung im Original erhalten.
Parallel zur Türkstr. verläuft die Straße „Am Kanal“ weiter bis zur Havel. Die Geschichte das Kanals wird anhand von Schautafeln erläutert, ebenso die Bemühung, ihn wieder vollständig zu rekonstruieren. Auf den Internetseiten der Stadt Potsdam findet man folgende Beschreibung zum alten Stadtkanal:
„Malerisch und nützlich wie holländische Grachten zog sich der Stadtkanal mit seiner bewegten Geschichte einst durch Potsdam. Bereits im Mittelalter gab es erste Entwässerungsgräben in Potsdam. Im Jahr 1722 ließ der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. den natürlichen, von der Havel gespeisten Graben begradigen und vertiefen. Die nunmehr mit Havelkähnen befahrbare Wasser-
straße hatte eine Eichenholzverschalung und war von hölzernen Klappkonstruktionen überbrückt. Der Stadtkanal erwies sich als praktische Transportader für Baumaterialien und er entwässerte den sumpfigen Potsdamer Baugrund.
Der Sohn und Nachfolger des Soldatenkönigs, Friedrich der Große, ließ künstlerische Ideen in die Funktionalität der Wasserader einfließen. Der Kanal erhielt eine Sandsteinverschalung, ein kunstvolles Eisengeländer und neun Steinbrücken. Mehr als 200 Jahre lang besaß Potsdam die Enklave einer holländischen Grachtenlandschaft, die Künstler und Bürger der Stadt zu romantischer Betrachtung und lebendigem Markttreiben inspirierte.
1965 wurde er zugeschüttet. Nach dem Mauerfall entstand der Wunsch, die alte Schönheit der Stadt zumindest in wesentlichen Teilen wieder erstehen zu lassen. So ist es dem Förderverein zur Wiederherstellung des Stadtkanals in Potsdam e.V. mit der Unterstützung vieler Mäzene und der Stadt und der Landesregierung gelungen, den ersten Teilabschnitt des Stadtkanals anlässlich der Bundesgartenschau 2001 zu eröffnen. Schritt für Schritt wird der Stadtkanal wieder rekonstruiert. Interessierten Kanalfreunden bietet der Förderverein die gusseisernen Geländerpfosten an, um sich darauf unauslöschlich als Miterbauer zu verewigen.“
An der Mündung des Kanals in die Havel kann man das alte Wach- und Zollhaus bestaunen, aufwendig renoviert von einem Privatmann.
Ein Stück weiter in der „Großen Fischerstraße“ findet man noch ein Stück alte Stadtmauer, beim dort ansässigen Fischer kann man frischen Fisch kaufen.
Letztlich ging es zurück zum Ausgangsort unserer Führung, wobei der eine oder andere noch Kraft für einen Abstecher in ein Restaurant am Wegesrande hatte.
Jeder von uns hatte sicherlich neue Erkenntnisse und Eindrücke zu verarbeiten, auch wenn man schon x-mal durch Potsdam gegangen war.
Michael Tunnat
Fotos: Werner Siepmann, Internet