Vom VOX-Haus zur Masurenallee – zur Geschichte des Rundfunks in Berlin und Brandenburg

Frau Bolte begrüßt die Anwesenden, die so reichlich erschienen waren, dass beinahe nicht alle Platz fanden, wie immer, wenn Herr Dr. Klaus Arlt einen Vortrag hält.
Bis zur Einführung des Rundfunks am 29.10.1923 in Berlin gab es als einzige Informationsmöglichkeit die Zeitung. Der Funk bzw. Rundfunk hatte viele Pioniere, z.B. Heinrich Hertz, der die elektromagnetischen Wellen entdeckte, Gugliemo Marconi und Georg Graf von Arco, die Mitbegründer der drahtlosen Telegraphie, und Ferdinand Braun. 1903 gründeten die AEG und Siemens die Firma Telefunken, und der Ingenieur Hans Bredow von der AEG wird der Vater des Rundfunks genannt. Er prägte auch den Ausdruck „Rundfunk“. 1908 erfolgte die Gründung der Firma Lorenz AG als Konkurrenz zu Telefunken. Alle Entwicklungen in dieser Zeit dienten jedoch nicht Sendungen an alle, es waren nur Verbindungen von einem Funksender an einen anderen. Erst die in den Jahren 1906 – 1910 entwickelte Radioröhre durch Robert von Lieben und Leede Forest ermöglichte größere Sendungen. 1913 gab es Sprach- und Musiksendungen zunächst nur für das Militär, 1917 erfolgte erstmalig eine Live-Übertragung aus dem Schützengraben durch Hans Bredow. Nach dem 1. Weltkrieg ging die Weiterentwicklung des Rundfunks mit Riesenschritten voran, besonders unter Hans Bredow.
Am 22.12.1920 sendete der Sender in Königs-Wusterhausen, der schon 1911 zu Militärzwecken gebaut wurde, Musik auf der Langwelle; 1925 wurde dort der Deutschlandsender gegründet. Auch aus Eberswalde, wo ein Versuchssender stand, wurde von Privatpersonen Nachrichten und Musik gesendet. Es gab viele Versuche von ihnen, jedoch behielt sich die Reichspost die Hoheit darüber vor. Für Berlin wurde die Gründung der Firma VOX entscheidend. Sie saß im VOX – Haus in der Alten Potsdamer Straße in Schöneberg. Die Sendungen wurden unter dem Dach des Hauses aufgenommen und direkt über den Sendemast auf dem Dach gesendet. Es gab die „Deutsche Stunde“, die „Rundfunkgesellschaft“ und die „Funkstunde“. 1926 gründete sich der Mittelwellensender Witzleben am Fuße des Funkturms.
Wer konnte nun die Sendungen hören? Nur sehr wenige Menschen mit entsprechender Ausrüstung, bis ab 1926 Rundfunkgeräte serienmäßig gebaut wurden, von denen es in Berlin bald 500.000 Stück gab. Diese Empfänger hatten noch keine Lautsprecher, sie konnten nur mit Kopfhörern bedient werden. Erst später wurden Geräte mit Lautsprechern gebaut. 1938 wurde der sogenannte Volksempfänger (im Berliner Jargon „Jöringharfe“ genannt) auf der Funkausstellung vorgestellt.
Schon 1926 wurde das VOX – Haus zu klein, und am 29.5.1929 wurde in der Masurenallee der Grundstein zum „Haus des Rundfunks“ gelegt. Der Architekt Hans Poelzig (1869-1936) baute das Haus in einer dreieckigen Form mit drei Sendesälen. Die Einweihung fand am 31.1.1931 statt.
Einer der bekanntesten Sprecher im Haus war Alfred Braun. Er war Rundfunkpionier und Reporter, der vor allen Dingen Live-Reportagen machte, z.B. von der Beisetzung Gustav Stresemanns. Er war ursprünglich Schauspieler, daher lagen ihm Hörspiele sehr am Herzen. Nach 1933 musste er gehen wie viele Leute aus der Masurenallee, kehrte aber nach 1945 wieder, war 1954 – 1958 Intendant und machte bis 1977 die Sendung „Spreekieker“.
Nach 1933 wurde der Rundfunk natürlich als Berieselung der Volksgenossen besonders durch Joseph Goebbels benutzt, jedoch gab es auch hohe kulturelle Leistungen. Das Haus hatte ein eigenes Orchester, mehrere Chöre, sehr gute Hörspiele und gute Berichterstattungen aus dem ganzen Land. Im 2. Weltkrieg war die Sendung „Wunschkonzert“ mit Heinz Gödecke weltumfassend. 1936 gründeten die Nationalsozialisten einen Kurzwellenauslandssender in Zeesen; der Sitz des Senders war am heutigen Theodor-Heuss-Platz.
Nach 1945 geriet das Haus des Rundfunks unter sowjetische Kontrolle, obgleich es in Charlottenburg, d.h. im englischen Sektor, lag. Die Mitarbeit und Mitnutzung durch die Westalliierten wurde abgelehnt. Das Gelände ist durch englische Soldaten abgesichert worden. 1952 verließen die DDR-Rundfunkleute, die hier 1949 die Führung übernommen hatten, das Haus. Am 5.7.1956 erfolgte die Rückgabe an den Berliner Senat, ab 1957 zog der SFB ein, der bis dahin aus dem Haus des wissenschaftlichen Buchverlages Springer am Heidelberger Platz gesendet hatte.

Der Hauptsender in West-Berlin war der RIAS, der von den Amerikanern gegründet und kontrolliert wurde, Er hieß zu Anfang DIAS, weil er über Drahtfunk sendete. Nach der Wiedervereinigung wurde er aufgelöst.
Wie immer erntete Herr Dr. Arlt für seinen Vortrag viel Applaus und beantwortete danach noch viele Fragen der Anwesenden.

Jutta Tranquillini

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