Villenkolonie Wannsee

Herr Gertis hielt einen Vortrag über die Villenkolonie Wannsee und die Anfänge des Vereins Seglerhaus am Wannsee.
Bevor Herr Gertis mit seinem Vortrag begann, berichtete er von seinen vielfältigen Bemühungen um Akteneinsicht in die Grundbücher von Stolpe und Düppel für die Zeit von 1863 bis 1898, dem Gründungsjahr der Gemeinde Wannsee. Selbst eine Petition beim Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses brachte bislang nicht den gewünschten Erfolg. Der Amtsschimmel wiehert weiter und die Mitglieder amüsierten sich darüber.

In seinem Vortrag über die Villenkolonie Wannsee ging Herr Gertis zunächst auf die Gründung des Rittergutes Düppel ein. Dies bestand ursprünglich aus dem Gut Neu-Zehlendorf und der Heinersdorfer Heide, die nach 1833 den Namen Dreilinden führte. 1859 erwarb Prinz Friedrich Karl von Preußen, Enkel der Königin Luise und Sohn von Prinz Carl von Klein-Glienicke, den Gesamtbesitz.
Prinz Friedrich Karl macht eine glänzende militärische Karriere. Am 18. April 1864 erstürmte er als General der Kavallerie die Düppeler Schanzen und eroberte anschließend Jütland und Alsen. Wegen dieser Verdienste erhielten seine Besitzungen in Dreilinden am 13. Januar 1865 auf Antrag der Teltower Kreisstände durch königliches Patent den Status eines Rittergutes mit dem Namen Düppel. Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 wurde er zum Generalfeldmarschall ernannt.
Prinz Friedrich Karl war ein begeisterter Jäger. Durch den Bau der Wannseebahn im Jahre 1874 wurde das Gebiet zwischen Bahnanlagen und dem Wannsee vom Rittergut Düppel abgetrennt. Aus jagdlicher Sicht war es für ihn nun uninteressant und so trennte er sich von ihm. Auf diesem Gebiet entstand die Villenkolonie Wannsee an der Friedrich – Karl – Straße (heute: Am Sandwerder).
Von den ersten Kolonisten fanden bei Herrn Gertis nur jene Erwähnung, die für die beiden Villenkolonien am Wannsee und darüber hinaus eine gewisse Bedeutung erlangten. Von diesen gab er einen kurzen biographischen Überblick.

Emil Wild und Friedrich Wilhelm Wessel
Beide kannten sich aus ihrer Jugendzeit in Schweidnitz (Schlesien), wo sie das Klempnerhandwerk erlernten. 1855 gründeten sie in Berlin die Firma Wild & Wessel, die Petroleumlampen herstellte und in Kürze zu einem Weltunternehmen aufstieg. Ihr wirtschaftlicher Erfolg beruhte vorwiegend auf der Entwicklung von Brennern, für die sie mehrere Patente erwarben. 1871 kauften sie eine Glashütte hinzu, die Majolika-Lampenschirme in 2000 Mustern produzierte.
1882 kaufte Friedrich Wilhelm Wessel die Insel Sandwerder, heute Schwanenwerder, und begründete darauf eine weitere Villenkolonie am Wannsee.

(Emil Wild: Am Sandwerder 1)
(Friedrich Wilhelm Wessel: Am Sandwerder 3 und Inselstraße 37)

Robert Guthmann
1884 gründete der Baurat Robert Guthmann zusammen mit einem Herrn Jeserich in Rüdersdorf das Zementwerk Guthmann & Jeserich, das sich in der Zeit der Berliner Gründerjahre und dem damit verbundenen Bauboom sehr prächtig entwickelte. In Niederlehme bei Königswusterhausen besaß er noch ein Sandsteinwerk. Um die Verwendbarkeit seiner Sandsteine zu demonstrieren, ließ er in Niederlehme einen Wasserturm errichten, der heute nahe der Autobahn steht und jeden Reisenden in Richtung Frankfurt/Oder von dort grüßt.

Auch Robert Guthmann wollte eine Villenkolonie gründen und kaufte daher 1887 das Gut Neu-Cladow am gegenüberliegenden Havelufer. Wegen der mangelhaften Verkehrsverbindungen an Berlin wurde aus diesem Projekt nichts.

(Robert Guthmann: Am Sandwerder 5, heute Sitz des Literarischen Colloquiums)

Johannes Otzen
Johannes Otzen war mit insgesamt 22 Kirchenbauten der erfolgreichste Baumeister evangelischer Kirchen der Gründerzeit. Ab 1866 arbeitete er für den Hamburger Bauunternehmer Carstenn. Für diesen entwarf er auch die Bebauungspläne für Lichterfelde und Friedenau. 1874 machte er sich selbständig. 1878 wurde er Professor an der neu gegründeten Technischen Hochschule in Charlottenburg, der heutigen TU. 1885 wechselte er an die Preußische Akademie der Künste, deren Präsident er von 1904 bis 1907 war.
Otzens Berliner Hauptwerke waren die Bauten der Heilig-Kreuz-Kirche in der Blücherstraße 1887 und der Lutherkirche am Dennewitzplatz 1891. In Wannsee erinnern an ihn das Eingangsportal zum Neuen Friedhof in der Lindenstraße und die Vorhalle neben der Andreaskirche.

(Johannes Otzen: Am Sandwerder 9)

Oscar Huldschinsky
Oscar Huldschinsky hatte im oberschlesischen Kohlebergbau und der Eisenindustrie eine führende Stellung inne. Die Volksabstimmung von 1922, die für Polen positiv verlief, führte dazu, dass Oscar Huldschinsky seine gesamten oberschlesischen Besitzungen verlor und er dadurch auch sein Domizil am Wannsee nicht mehr halten konnte.
1944 residierte in seiner ehemaligen Villa der italienische Botschafter, heute der saudi-arabische. 1949 tagte dort der Gründungsausschuss zur Bildung der Freien Universität unter der Leitung von Ernst Reuter.
Oscar Huldschinsky war ein großer Kunstsammler und großzügiger Mäzen.

(Oscar Huldschinsky: Am Sandwerder 33/ 35)

Franz Oppenheim
Franz Oppenheim war Chemiker, Geschäftsführer der Agfa und maßgeblicher Initiator der Fusion der Agfa mit BASF, Bayer, Hoechst u.a. zur IG Farben. Nach dem Tod seiner ersten Frau, einer Urenkelin des Philosophen Moses Mendelssohn, siedelte er in die Villenkolonie Alsen über und ließ sich dort von Alfred Messel ein Landhaus errichten, den „großen Messel“.
Der letzte private Besitzer des Anwesens von Franz Oppenheim in der Friedrich-Karl-Straße war der Bankier Hans Arnhold, der 1936 mit seiner Familie in die USA emigrierte. 1939 wurde das mehrfach umgebaute Gebäude Amtssitz vom Reichswirtschaftsminister Walther Funk. Nach dem Krieg wurde es von den Amerikanern als „Recreation Center“ genutzt; seit 1998 ist es Sitz des Hans-Arnold-Centers der American Academy.

(Franz Oppenheim: Am Sandwerder 17/ 19

Hugo Preuß
Hugo Preuß war Professor der Rechts- und Staatswissenschaften, bekam an der Berliner Universität wegen seiner jüdischen Abstammung keinen Lehrstuhl.
Am 15. November 1918 wurde er von Friedrich Ebert zum Staatssekretär des Innern berufen und vom Rat der Volksbeauftragten mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs beauftragt. Im Februar 1919 wird er zum Reichsinnenminister der ersten Weimarer Regierung unter Philipp Scheidemann ernannt. In der folgenden Regierung übernimmt er das Amt des Reichskommissars für Verfassungsfragen. Am 11. August 1919 tritt dann die maßgeblich von ihm erarbeitete Weimarer Verfassung in Kraft. Ein Jahr nach seinem Tode im Jahre 1925 gibt Theodor Heuss eine Sammlung seiner wichtigsten Schriften unter dem Titel „Staat, Recht und Freiheit. Aus 40 Jahren deutscher Politik und Geschichte“ heraus.

(Hugo Preuß: Am Sandwerder 29/ 31)

Nach diesen Ausführungen wandte sich Herr Gertis dem Verein Seglerhaus am Wannsee zu, in dem bis auf Hugo Preuß alle hier genannten Personen Mitglied waren.

Der VSaW ging Ostern 1881 aus dem Verein der Segler der Unterhavel hervor. Die Mitgliederzahl wurde zunächst auf 30 ordentliche Mitglieder begrenzt, später aber auf 50 erhöht. Hinzu kamen noch außerordentliche Mitglieder oder Saisonkarteninhaber. Unter den ordentlichen Mitgliedern finden sich allein aus den Villenkolonien – es gab auch einige Mitglieder aus Potsdam und Umgebung – 7 Bankiers, 4 Fabrikbesitzer, 4 Architekten und einen Kaufmann. Unter den außerordentlichen Mitgliedern finden sich so illustre Namen wie James Hardy, Eduard von der Heydt, Georg Koblank, Friedrich Oppenheim, Anton von Werner, Oscar Begas und Oscar Huldschinsky.
Als erstes zahlte jedes der 30 ordentlichen Mitglieder 100 Thaler in Form von Anteilscheinen in die Vereinskasse, und so konnte bald für 2000 Thaler ein Grundstück neben dem Schwedenpavillon erworben werden. Die Architekten Ende und Böckmann spendierten dem Verein eine alte Scheune, die mehrfach an- und umgebaut wurde und bis zum Bau des jetzigen Vereinshauses im Jahre 1910 als Treffpunkt diente.
Bezeichnend für den Verein in seiner Anfangsphase war, dass in den Statuten die Pflege des Wassersports erst an dritter Stelle rangierte. Davor und damit viel wichtiger war der Vereinszweck, den Mitgliedern und ihren Angehörigen Gelegenheit zu geselligen Zusammenkünften zu geben. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass ein Kellermeister und sein Stellvertreter Vorstandsmitglieder waren. Finanziert wurde der Weinkeller dadurch, dass jedes Mitglied zusätzlich zu seinem Anteilschein 100 Goldmark Weingeld zu zahlen hatte. Gefeiert wurde nicht nur im Vereinshaus, sondern auch auf den Besitzungen der Mitglieder Wessel und Guthmann in Neu-Cladow bzw. auf der Insel Schwanenwerder. Man kann daher mit Fug und Recht sagen: der VSaW war der gesellschaftliche Mittelpunkt der Villenkolonien.

Zum 25-jährigen Bestehen der Villenkolonie Alsen dichteten einige Mitglieder des Vereins ein Danklied auf Wilhelm Conrad nach der Melodie: Strömt herbei ihr Völkerscharen, dessen erste Strophe folgendermaßen lautet:
Strömt herbei, ihr Wanseeaten,/ stimmet an den Lobgesang!/ Bringt dem Schöpfer großer Taten/ Lorbeern, die er sich errang!/ Dem das Große ist gelungen,/ was ihm Seherblick verhieß,/ der den märk´schen Sand bezwungen,/ schuf aus Sand ein Paradies.

Marianne Gertis

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