Tagesfahrt nach Wismar

Schon unsere Busfahrt war ein Erlebnis: durch wunderschöne Alleen, vorbei an endlosen Feldern – mit rotem Mohn geschmückt, zuweilen auch mit blauen Kornblumen. Auf eine ganz besondere Errungenschaft wurden wir durch unseren Busfahrer Peter aufmerksam gemacht: auf eine sogenannte „Wildbrücke“. Für den gefahrlosen Wildwechsel werden Brücken über die Autobahn angelegt, an den Seiten bepflanzt, so dass es von unten ein schönes Bild ergibt, aber vor allem von den Tieren gut angenommen wird.

Bereits im Bus und detaillierter an Ort und Stelle wurden wir über Wismar, das seit 2002 zusammen mit Stralsund zum Weltkulturerbe der Unesco erklärt worden ist, unterrichtet. Nachdem Wismar 1226 im Rahmen der deutschen Ostkolonisation an alter Handelstraße von Lübeck über Rostock ins Baltikum und an sehr günstiger Stelle in der Wismar-Bucht gegründet wurde, entstanden einzelne Siedlungen um St. Marien und Nikolai, ab 1260 die Neustadt um Georgen. Schon 1259 schloss es mit Rostock und Lübeck einen Paktbund gegen Piraten. Noch heute kann man die mittelalterliche Grundrissstruktur, die die Blütezeit der Hanse widerspiegelt, nachvollziehen.

Empfangen wurden wir auf einem der größten und schönsten Marktplätze im Norden Deutschlands (100 x 100 m). Allerdings fand ich, dass die Weite des Raumes durch die neben den Marktständen stehenden Autos beeinträchtigt wird.

Wismar war aber nicht nur Hanse-, sondern auch Residenzstadt. Fürst Johann I. von Mecklenburg verlegte 1256 seinen Sitz von der Burg Mecklenburg nach Wismar. Wir erfuhren, dass das Wort Mecklenburg- mit langem e gesprochen! – vom Althochdeutschen „mikil“ stammt und groß bedeutet. Auf unserer Rückfahrt fuhren wir durch das „Dorf M.“, wo sich die einstige Burg befand.

Davon, dass Wismar im 30-Jährigen Krieg 1632 von den Schweden besetzt und seit 1648 Schweden zugesprochen wurde, zeugt noch heute das älteste profane Gebäude „Alter Schwede“ , ein schönes altes Staffelgiebelhaus am Markt, um 1380 errichtet, seit 1878 Gastwirtschaft und nach der Wende auch vom schwedischen König und seiner Frau besucht. Im Jahre 1803 wurde Wismar im „Schwedischen Pachtvertrag“ für 1 250 000 Taler auf 99 Jahre an den Herzog von Mecklenburg verpachtet. 1903 verzichtete aber Schweden darauf, seinen Besitz einzulösen, so dass erst seit jenem Jahr Wismar zu Mecklenburg gehört.
Eine weitere Besonderheit auf dem Markt ist die berühmte „Wasserkunst“, ein von 1589 bis 1602 nach Plänen eines Utrechter Meisters errichtetes Wasserwerk im Stil der Renaissance, das bis 1897 die Stadt mit gutem Wasser aus einer sieben Kilometer entfernten Quelle versorgt hat.
Unser Rundgang führte uns an wunderschön restaurierten Häusern vorbei zu den drei Hauptkirchen. Noch im April 1945 wurde Wismars Altstadt stark zerstört. In der DDR-Zeit (1960) wurde das Kirchenschiff von St. Marien gesprengt; heute künden nur noch der gewaltige Turm (82 m) und die Markierung des einstigen Grundrisses von dem imposanten Backsteinbau. Umso erfreulicher ist es, dass St. Georgen seit 1990 von der „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ als 1. Förderprojekt in den neuen Bundesländern wieder aufgebaut wird. St. Nikolai beeindruckte uns ebenfalls sehr, vor allem mit seinem 37 m hohen Mittelschiff und seiner reichen Ausstattung von Spätgotik bis Barock.

Vorbei an weiteren Baudenkmalen und dem ersten „Karstadt-Kaufhaus“ gelangten wir dann zum Hafen, um im „Gottfried’s“ Mittag zu essen. Wie man vernehmen konnte, war das eine gute Empfehlung von Pucky-Tours.

Ein Stündchen Freizeit wurde auf verschiedene Weise genutzt, die einen meinten, sie müssten noch weitere gastronomische Einrichtungen kennen lernen, die anderen führte es wieder kunstbeflissen in der „Hospitalkirche zum Heiligen Geist“ zusammen. Man hätte noch vieles angucken und besichtigen können, aber unser Dampfer rief: Eine einstündige Fahrt zeigte uns nicht nur das Panorama der alten Hansestadt, sondern auch die Werftanlagen. In der „Aker MTW-Werft“ arbeiten 1300 Menschen in einem der größten Trockendocks Deutschlands (395 m lang und 72 m hoch). Auch eines der modernsten Holzverarbeitungszentren Deutschlands hat an diesem Ort 1000 Arbeitsplätze geschaffen. Dennoch beklagt die Stadt die Rückläufigkeit der Bevölkerung: Lebten 1989 hier noch 58 000 Menschen, sind es jetzt nur noch 45 700.
Es wird versucht, den Tourismus stärker auszubauen.
Die einhellige Meinung unserer 48 Personen umfassenden Reisegruppe lautete, dass uns dieser Tagesausflug in die so liebevoll restaurierte Hansestadt sehr gut gefallen hat und wir eine solche Tour nur empfehlen können. Im Merian- Reiseführer „Mecklenburg-Vorpommern“ von 1991 hieß es noch: “Wenn es gelingt, die kostbare Bausubstanz der Stadt vor dem Verfall zu retten, dann bleibt Mecklenburg und Deutschland ein Kleinod erhalten.“ Wir können sagen, dass wir im Jahre 2008 begeistert von den vielen restaurierten Gebäuden der Stadt waren!

Hannelore Bolte

(Fotos: Margarete Kliem)

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