In diesem Jahr verschlägt es uns wiederum an die Ostseeküste, und zwar in die alte Hansestadt Greifswald. Pünktlich um 8 Uhr startet unser Bus gegenüber vom Rathaus Wannsee, und wir erfreuen uns besonders auf dem Weg durch die Mecklenburgische Schweiz an den sonnendurchfluteten Feldern und dem Farbspiel der Mohn- und Kornblumen.
Auf der längeren Anreise informiert Frau Bolte die Mitglieder über unser Reiseziel:
Gegründet wurde die Stadt vom Kloster Eldena aus, das wir auch ansteuern werden. Seit 1193 sind Salzpfannen (mit Salzquellen aus dem Zechstein als begehrtes Handelsobjekt) schriftlich belegt, und ab 1241 gibt es das Marktrecht für das Kloster. Ab 1249 erhält der Pommernherzog Wartislaw III. die Siedlung der Salinen-Arbeiter als Lehen, und 1250 verleiht er ihr das Lübische Stadtrecht. Der Name der Stadt leitet sich von dem pommerschen Wappen, einem Greifen, ab.
1278 wird Greifswald erstmalig als Mitglied der Hanse erwähnt, aber schon im 14. und dann im 15.Jh. genügt der Hafen nicht mehr den Anforderungen des Schiffsverkehrs. Der Pommernherzog Wartislaw IX. verleiht Greifswald mit den „Goldenen Privilegien“ weitreichende Handelsrechte, die der Stadt zu wirtschaftlicher Macht und Wohlstand verhelfen, und gründet 1456 auf Initiative des Bürgermeisters Heinrich Rubenow die pommersche Landesuniversität, eine der ältesten der Welt.
Während des Dreißigjährigen Krieges nehmen die Truppen Gustav Adolfs II. die Stadt ein; die Schwedenzeit dauert 184 Jahre. In guter Erinnerung sind die Bemühungen der Schweden um die Greifswalder Universität. 1747 errichten sie das noch heute bestehende Universitätshauptgebäude.
Auf dem Wiener Kongress fällt Greifswald an Preußen. Mit dem Anschluss an die Fernstraße Berlin-Stralsund 1836 und dem Anschluss an das Eisenbahnnetz 1863 werden Voraussetzungen für die Entwicklung einer Industrie geschaffen.
Den Zweiten Weltkrieg übersteht die Stadt ohne Zerstörungen, und am 30. April 1945 wird sie auf Veranlassung des Stadtkommandanten Rudolf Petershagen kampflos der Roten Armee übergeben (Im Gegensatz dazu müssen wir an die wahnsinnige Parole denken, Wannsee als Festung zu erklären, die noch in den letzten Tagen des Krieges so viele Tote forderte, dass wir insgesamt auf unseren beiden Friedhöfen 900 Kriegstote zu beklagen haben!).
In der DDR-Zeit ist leider die historisch wertvolle Altstadt nicht genügend instand gehalten und manches wertvolle Bauwerk abgerissen worden.
Seit 1991 sind die noch erhaltenen Teile der Altstadt saniert worden. So beeindruckt uns bei unserer Ankunft als erstes der wunderschöne Marktplatz mit dem freistehenden Rathaus in seiner Mitte. Von 1996 bis 1997 wurde es mit seinen 16 Fensterachsen umfassend saniert. Es erhielt wieder seine kräftige mittelalterliche dunkelrote Farbe und wurde so zum „Roten Rathaus“.
Hier empfangen uns zwei Reiseführer für unsere insgesamt 48 Personen umfassende Gruppe.
Wir werden noch einmal kurz über die wesentlichen Punkte der Stadtgeschichte und die heutige Situation informiert, ehe wir uns einzelne Bauwerke ansehen. Gab es 1989 noch 68 000 Einwohner, so waren es 2005 schon 15000 weniger. Durch die stetig steigende Zahl der Studenten (12000 im Jahre 2008) ist Greifswald 2008 die jüngste Stadt Deutschlands!
Trotz unserer vorherigen telefonischen Absprache mit dem Fremdenverkehrsverein über die einzelnen Punkte der einstündigen Führung, vor allem mit dem Wunsch des abschließenden Besuches der Kirche St. Marien, werden wir dort wegen einer angesetzten Trauung abgewiesen. So versuchen wir es im Dom, doch hier ist über Mittag geschlossen. Wir bedauern, dass sich der Fremdenverkehrsverein nicht über die Öffnungszeiten informiert hat. Ein wenig frustriert nehmen wir dann in einem wunderschönen alten Haus aus dem 14./15. Jahrhundert Am Markt 13 Platz. Hier im Braugasthof „Zum Alten Fritz“ werden wir in dem gemütlich eingerichteten „Kontor“ mit sehr gut schmeckenden Gerichten wieder versöhnt. Anschließend haben wir noch Gelegenheit, zum Flüsschen Ryck zu laufen und dort den Museumshafen zu sehen.
Die Gaststätte „Fritz“ Am Markt 13
Anschließend führt uns unser Bus zum ehemaligen Zisterzienser-Kloster Eldena. Ursprünglich trug es den Namen Hilda wie auch das bereits erwähnte Flüsschen. Diese große Anlage beeindruckt noch immer, auch wenn viele, viele Teile als Steinbruch genutzt und somit verloren gegangen sind. So fand Anfang des 19. Jahrhunderts der romantische Maler Caspar David Friedrich, der berühmte Sohn der Stadt Greifswald, das Kloster nur noch als Ruine vor, die er zum Motiv für mehrere seiner Werke machte. Durch diese Bilder wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt, kam es auf Initiative des Preußenkönigs Friedrich Wilhelms IV. zum Verbot der weiteren Zerstörung. 1828 begannen erste Ausgrabungsarbeiten, und nach Plänen des preußischen Gartengestalters Peter Joseph Lenné wurde auf dem Klostergelände ein Park angelegt. 1926/27 wurden weitere wissenschaftliche Grabungen durchgeführt, um den ursprünglichen Zustand der Klostergebäude zu rekonstruieren. 1968 wurde eine Freilichtbühne eingebaut. 1995 und 1996/97 führten Sicherungs- und Sanierungsarbeiten zur Errichtung einer Kulturstätte der Euroregion Pomerania.
Zum Abschluss unserer Tagesfahrt besuchen wir den Ortsteil Wieck. Das ehemalige Fischerdorf liegt auf der nördlichen Seite der Mündung des Flusses Ryck in die Dänische Wiek, einer Bucht des Greifswalder Boddens. Fasziniert stehen wir an der Wiecker Klappbrücke und freuen uns, dass wir über sie an den hübschen kleinen schilfgedeckten Fischerhäusern vorbei bis zum Meer laufen können. Die Abendstimmung noch in uns aufnehmend, müssen wir uns leider schon bald von hier verabschieden, um die Heimreise anzutreten. Es gäbe noch viel zu sehen, z. B. auch das großartige Pommersche Landesmuseum oder das Caspar-David-Friedrich-Zentrum und vieles andere mehr. Hoffen wir, dass die eine oder der andere Lust auf einen weiteren Besuch Greifswalds bekommen hat!
Hannelore Bolte
(Fotos: Werner Siepmann)