Wieder einmal geht es auf unserer Tagesfahrt nach Mecklenburg (auf die exakte niederdeutsche Aussprache des langen „e“ wird erneut hingewiesen). Bei schönem Wetter starten wir pünktlich um 8 Uhr gegenüber vom Rathaus Wannsee und erfreuen uns während der Fahrt über die Landstraßen an dem faszinierenden Rot der Mohnblumen. Nachdem wir Brandenburg verlassen haben, genießen wir auch die hügelige Landschaft der Mecklenburgischen Schweiz.
Um die Vereinsmitglieder auf die Sehenswürdigkeiten des heutigen Tages einzustimmen, informiert Frau Bolte über das Reiseziel: Etwa eine halbe Stunde vor Waren steuern wir zunächst Ankershagen an, einen kleinen verwunschenen Ort, am Müritz-Nationalpark gelegen und durch Heinrich Schliemann berühmt geworden. Dieser weltbekannte Archäologe, 1822 in Neubukow geboren, kam 1823 nach Ankershagen durch die Versetzung seines Vaters auf die dortige Pfarrstelle. Bereits 1980 wurde in dem einstigen Pfarrhaus ein Schliemann-Museum eingerichtet. 1996 bis 1998 konnten der denkmalgeschützte Fachwerkbau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts saniert und die Dauerausstellung erweitert werden. Um die beeindruckende Persönlichkeit Schliemanns zu würdigen, wird bereits im Bus ein kurzer Einblick in sein Leben und Lernen – vor allem der vielen Sprachen, die er beherrschte -, und in seine beruflichen und archäologischen Aktivitäten gegeben. Als wir uns dem Gelände des Museums nähern, nehmen wir schon von weitem das Trojanische Pferd wahr. Hier begrüßt uns der Direktor des Museums, Herr Dr. Witte. Während eine zweite Mitarbeiterin, Frau Kostolnik, bereits mit der Hälfte unserer Gruppe, die immerhin 47 Personen zählt, zur Ausstellung ins Haus geht, berichtet Herr Dr. Witte auf dem Vorplatz über die umliegenden Bauten, das alte Pfarrhaus und das 2001 wieder aufgebaute Stallgebäude, in dem sich die Kasse, ein Vortragsraum und ein Café befinden. Auch der gegenüber liegenden alten Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert werden wir abschließend noch einen kurzen Besuch abstatten.
Heinrich Schliemann selbst hat als 60-Jähriger in seinen Erinnerungen seinen „Traum von Troja“ so dargestellt, dass er bereits als Achtjähriger behauptet haben soll, er werde Troja ausgraben. Die Forschung meint jedoch, die Idee wäre erst später entstanden. Insgesamt ist Schliemanns Erfolg erstaunlich, da zunächst die Bedingungen für ihn nicht sehr günstig waren.1832 kommt Heinrich zu seinem Onkel, um sich aufs Gymnasium vorzubereiten, muss es aber bald verlassen und auf die billigere Realschule überwechseln. Als 14-Jähriger fängt er seine Lehrzeit als Handelsgehilfe an und landet als 20-Jähriger in Amsterdam, wo er autodidaktisch Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch und später auch Russisch lernt. 1846 gründet er eine Handelsniederlassung in St. Petersburg und wird ein erfolgreicher und sehr wohlhabender Kaufmann. Da er aber das nicht ein Leben lang machen wollte, erlernt er Neu- und Altgriechisch sowie Latein, macht Reisen in den Orient und beginnt 1866 an der Sorbonne zu studieren. 1868 reist er nach Griechenland und Troja und identifiziert den Hügel Hissarlik mit dem Troja Homers und führt erste Grabungen durch. Auch durch Gründung einer Goldgräberbank in Sacramento hatte Schliemann sein Vermögen verdoppelt, so dass das nötige Geld für die Ausgrabungen allein durch Zinsen finanziert werden konnte.
Im Museum zeigt uns Herr Dr. Witte die beste Nachbildung des „Priamos-Schatzes“, den Schliemann 1881 „dem deutschen Volke“ schenkte. Erst 1993 erzählte Jelzin, dass sich dieser Fund seit 1945 in Moskau befinde. Drei Jahre später wurde er dort erstmalig ausgestellt. Gegen das international gültige „Beutekunst-Gesetz“ haben die Russen 1995/96 ein Gesetz erlassen, gemäß dem sie das Eigentum des „Aggressors“ behalten.
Noch viele andere Schätze wie die „Maske des Agamemnon“ aus Mykene, vor allem aber Schliemanns Lebensleistung als „Pionier der Feldarchäologie“, können wir in diesem Museum bewundern, wo sich auch das Zentrum der internationalen Schliemann- Forschung befindet. Beide Gruppen, begeistert von den Führungen, danken herzlich und wünschen weiterhin viel Erfolg bei der Museumsarbeit. Frau Bolte, die dieses Museum bereits kannte, erfährt, dass kein anderes Mitglied vorher diesen Ort angesteuert hatte, und hofft nun, dass der Besuch von Ankershagen weiter empfohlen wird!
Nach dem Mittagessen in Waren geht eine Gruppe mit Herrn Awe vom Tourismusbüro durch die Stadt, während andere von uns durch einen zweiten Führer in unserem Bus am Rande der Fußgängerzone entlang geführt werden. Erfreulich war auch hier, dass die Stadt den Zweiten Weltkrieg ohne Zerstörungen überstanden hat. Doch leider wurden in der DDR-Zeit größere Teile der historischen Altstadt einer neuen Verkehrsplanung geopfert und wertvolle Bauwerke abgerissen. Lange vor Öffnung der Grenzen entstand eine Bürgerbewegung: “Rettet die Altstadt“. Seit 1991 konnte dann der Stadtkern zwischen Müritz und Tiefwarensee saniert werden, so dass sich heute das Stadtbild mit der Georgen- und Marienkirche, dem Rathaus mit der Tudorgotik, dem Alten und Neuen Markt sowie den Speichern voller Charme präsentiert, an unserem Besuchstag sogar mit herrlich blühenden Rosenstöcken an den Häusern.
Bei unserem Rundgang durch Waren wird auf die Fernwärmeversorgung der Wohngebiete Waren West, Engelsplatz, Torfbruch und Papenberg hingewiesen und darauf, dass im Heizwerk Papenberg die Heizwärme unter Nutzung von Geothermie gewonnen wird. Mit Stolz erzählt Herr Awe von den Anfängen dieser Technologie im Jahre 1984, also in der DDR-Zeit. Erstmalig ging in Deutschland eine Geothermie-Anlage im Megawattbereich in Betrieb. Damals war sicher nicht der Umweltschutz, sondern die Ressourcenknappheit von Energieträgern für diese Entwicklung entscheidend. Nach Umbauten und Modernisierungen, die 1994 abgeschlossen waren, betreiben heute die Stadtwerke Waren GmbH diese Einrichtung.
Seit 1999 ist Waren „ein staatlich anerkannter Luftkurort“, seit Juni 2012 sogar „Heilbad“ aufgrund seiner zwei Salzstöcke in 1500 Metern Tiefe unterhalb der Müritz. Die Ausbreitung dieser jodhaltigen Thermalsole übertrifft die Fläche des Toten Meeres bei Weitem, wurde vor rund 200 Mio. Jahren in einer Tonschicht versiegelt und unterliegt keinen äußeren Umwelteinflüssen.
In diesem Jahr begeht man die 750-Jahrfeier vom 8. bis 14. Juli. Die älteste Kirche, St. Georgen, wurde erstmals 1273 erwähnt. Herr Awe führt uns sehr engagiert durch seine Stadt, erzählt von den Montags-Demonstrationen, die vom Gemeindebüro St. Marien zur Georgenkirche führten, und zeigt uns Fachwerkhäuser, die zu DDR-Zeiten mit Farbe überstrichen waren, nun aber ihr ursprüngliches Aussehen wieder erhalten konnten. Auch die ehemaligen Speicherhäuser, die wir am Hafen entdecken können, konnten gerettet werden.
Hier wartet auch schon das Schiff „Europa“, um uns zwei Stunden über die Müritz zu fahren, den größten Binnensee, der vollständig in Deutschland liegt. Zunächst scheint noch die Sonne, so dass viele von uns im Freien das Bild des schönen Panoramas der Stadt in sich aufnehmen wollen. Der Wind bläst ziemlich stark; unser 2. Vorsitzender, Herr Siepmann, ein passionierter Segler, erklärt, wie man erkennen kann, dass es sich um Windstärke 5 bis 6 handeln muss. So begeben sich nach einer Stunde doch einige der Winderprobten zu den übrigen Mitgliedern ins Innere des Schiffes und staunen über viele, die auch weiterhin auf Deck bleiben.
Hoffen wir, dass die eine oder der andere Lust auf einen weiteren Besuch dieser reizvollen Gegend bekommen hat!
Hannelore Bolte
(Fotos: Werner Siepmann)