Tagesfahrt in die Prignitz

Am Samstagmorgen um 8.00 Uhr besteigen bei herrlichem Sommerwetter und gut gelaunt 48 Mitglieder und Gäste am Rathaus Wannsee den von Peter Meinke gesteuerten Bus und machen sich unter der bewährten Führung von Wolfgang Holtz frohgemut auf den Weg.
Über die Berliner Vorstadt in Potsdam geht es durch Bornstedt und Bornim. Es sollte sich bald herausstellen, dass sich Reiseleiter und Busfahrer überbieten in ihrem Wissen zu den Orten, die auf unserer Reiseroute lagen. Der eine, ein echter Prignitzer, und der andere einer, der jeden historischen Weg erwandert hat. So erfahren wir zu jedem Ort Einzelheiten und Besonderheiten, die hier nur in Stichworten wiedergegeben werden können. Bornstedt mit dem Grab von Lenné und Bornim mit Karl Foersters Staudengarten sind den meisten ja noch bekannte Begriffe. Aber dann geht es auf der B 213 über Paaren (Bredowdorf), Berge (Fam. von Hake), vorbei an Nauen (Funkstadt), Ribbeck (Birnbaum, Gutshaus, Kirchencafé), Sebelang und Pessin (Gutshäuser). Inzwischen sind wir auf der B 5, die seit etwa 1810 in beinahe direkter Linie und ohne auf gewachsene Verbindungen Rücksicht zu nehmen quer durch die Landschaft gebaut wurde. Daher liegen viele der geschichtlich bedeutenden Orte nicht mehr am Wege wie z. B. Wagenitz und Haage (Gutshaus, Park und Schwedenturm) oder auch Senzke (Fam. Fintelmann, bekannt in Stolpe und auf der Pfaueninsel). In Friesack (Fliederfest) zweigen wir ab nach Westen, fahren durch Kleßen (Spielzeugmuseum im renovierten Herrenhaus) und kommen nach Stölln, wo es sich Peter nicht nehmen lässt, eine Ehrenrunde auf dem Platz vor der dort nach der Wende in einer abenteuerlichen Landung abgestellten IL 62 er INTERFLUG zu drehen, um uns Denkmal und Ort zu zeigen, an dem Otto Lilienthal seine erfolgreichen Flugversuche machte (Flugstrecke bis zu 325 m) und am 9.8.1896 abstürzte. Wir fahren vorbei an dem Gasthaus, in dem der Flugpionier seine Flugapparate gelagert hatte, aber dann auch nach dem Unfall versorgt wurde. (Nach einer Fahrt in Kutsche und Bahn verstarb er einen Tag später in der Klinik von Bergmann in Berlin an den Folgen einer Rückgratverletzung.)

Über Rhinow, Strohdene (neu erbaute Havelbrücke), Havelberg (Dom), Nitzow und Abbendorf erreichen wir das Storchendorf Rühstedt. Unseren Reiseleitern ist es aber ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass Havelberg, die alte brandenburgische Bischofstadt mit zwei weiteren Dörfern (Nitzow u. Kümmeritz), seit der Wiedervereinigung zu Sachsen-Anhalt gehört, was die Einwohner trotz heftiger Proteste nicht verhindern konnten.

Nach einem kurzen Besuch des sehr sehenswerten Besucherzentrums der Naturschützer werden wir von einem engagierten Bürger des malerischen und sehr gepflegten Dorfes mit den Geheimnissen des Storchenlebens bekannt gemacht. Noch in den 50-er Jahren gab es nur fünf Nester. Nach Verbesserung des Futterangebots im Mündungsgebiet von Havel und Elbe stieg die Zahl der Brutpaare kontinuierlich an. Mit Nesthilfen auf Haus- und Scheunendächern gibt es jetzt 33 Nester mit aktiven Brutpaaren, die nach Rückkehr aus den Überwinterungsquartieren (8 – 10000 km) bis spätestens zum 10. Mai mit der Brut beginnen. Innerhalb von zwei Tagen werden bis zu fünf Eier gelegt, Inkubationszeit: 33 Tage, Überlebenschancen vom Futterangebot (5 kg/ Tag pro Nest) abhängig, 33 Tage bis zur Flugreife, Flügelspannweite ca. 2 m für reinen Thermikflug. Rätselhaft ist immer noch, wie die jungen Störche Ende Juli ohne Begleitung von Altvögeln die Winterquartiere erreichen und wieder zurückfinden. Ein gemütlicher Rundgang durch das Dorf bietet interessante Ausblicke auf anfliegende und fütternde Störche, auf Nester, auf hungrige Schnäbel, begleitet von lebhaftem Klappern der geschäftigen Vögel.
Es schließt sich eine Führung in der Dorfkirche an, die 1384 erstmals urkundlich erwähnt wurde und die bis 1719 Patronatskirche der Familie von Quitzow war, von denen vier prächtige Renaissance-Epitaphe zu sehen sind. Beeindruckt haben die mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts ausgemalte mittelalterliche Apsiskuppel, der spätgotische Schnitzaltar und die Wagnerorgel.

Im Nachbardorf Abbendorf sind wir zu Mittag im Gasthaus „Dörpkrog am Diek“, wo auch noch Zeit bleibt für einen kurzen Gang über den Deich der Havel, die dort nach wenigen Kilometern an einem Stauwerk in die Elbe mündet.

Vorbei an Legde (Grablege von Quitzow), Bad Wilsnack (Wunderblutkirche), Bullendorf und Kuhsdorf(!) und vielen anderen heimatgeschichtlich interessanten Orten erreichen wir gegen 15.00 Uhr Meyenburg, einstige Grenzfeste gegen Mecklenburg. Dort bleibt uns nur Zeit für den Besuch des Modemuseums, in dem die sehenswerte Kleidersammlung der Josefine Edle von Krepl zu sehen ist. Es werden Kleider aus den Jahren 1900 bis 1980 gezeigt, die tatsächlich getragen und in 48-jähriger Sammelleidenschaft zusammengetragen wurden und nun mit vielen passenden Accessoires in modernen Vitrinen gezeigt werden. Nicht nur die mitgereisten Damen wundern sich über das an der ehemaligen Mode ersichtlich eingeschränkte Leben früherer Generationen. Die spätere Mode weckt Erinnerungen an selbst Erlebtes. Leider bleibt nur wenig Zeit für intensive Betrachtung.

Nach Kaffee und Kuchen beginnt um 17.00 Uhr die Rückfahrt. Mit Hinweisen auf künftige Veranstaltungen (22.6. Auf den Spuren der Familie von Siemens, 8.7. Steglitzer Friedhof, 16.7. Turmbläser an der Sacrower Heilandskirche, 13.8. Klein-Glienicke, 21.8. Villenkolonie Wannsee, 16.9. Paretz) und dem Dank an Fahrer Peter Meinke, Reiseleiter Wolfgang Holtz und Frau Hannelore Bolte endet am Rathaus Wannsee um 19.00 Uhr ein schöner Ausflug.

Ulrich Locherer

(Fotos: Werner Siepmann)

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