Heinrich von Kleist – sein Leben und sein Tod am Kleinen Wannsee

Frau Bolte berichtet in diesem so genannten Kleist-Jahr: Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist wurde am 18. Oktober, nach eigenen Angaben aber am 10. Oktober l777 in Frankfurt (Oder) geboren. Er starb im Alter von 34 Jahren am 21. November 1811 am Stolper Loch, dem heutigen Kleinen Wannsee, und wurde dort begraben. In seinem kurzen Leben hat er sich einen beachtlichen Ruf als Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Publizist erworben, obwohl er als Außenseiter im literarischen Leben der Literaturepochen der Weimarer Klassik und der Romantik galt. Zwar war Goethe bereit, den Zerbrochenen Krug aufzuführen, was aber in einem Misserfolg endete. Das war für die künstlerische Zukunft folgenreich.

Kleists Leben ist geprägt vom Scheitern und von Aufbrüchen zu neuen Ufern. Er lebt nie in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen, obwohl in eine traditionsreiche preußische Offiziersfamilie aus pommerschem Uradel mit zahlreichen Generälen, Gutsbesitzern, Gelehrten und Diplomaten hineingeboren. Sein Vater dient als Stabskapitän in der Garnison Frankfurt (Oder). Nach seinem Tod wird der 11-jährige Heinrich in Berlin vom reformierten Prediger Samuel Heinrich Catel erzogen, wo er auf die Werke der Klassiker aufmerksam wird.

Mit 15 Jahren tritt Kleist in das Garderegiment zu Potsdam ein, nimmt am Rheinfeldzug gegen Frankreich teil. Trotz wachsender Zweifel am Soldatendasein bleibt er dabei, wird 1795 Fähnrich und 1797 Leutnant.  Privat bereitet er sich von 1797 – 1798 an der Großen Stadtschule in Potsdam in Mathematik und Physik auf ein Studium vor. Eine Plakette in der heutigen Friedrich-Ebert- Straße erinnert daran.
Gegen den Widerstand der Familie gibt er den Militärdienst auf und beginnt im April 1799 zur „Ausbildung des Geistes“ neben Mathematik als Hauptfach Physik, Kulturgeschichte, Latein und – zur Beruhigung seiner Verwandten –   Kameralwissenschaften an der Viadrina in Frankfurt (Oder) zu studieren.

1799 lernt er die Generalstochter Wilhelmine von Zenge kennen, verlobt sich Anfang 1800. Er bricht das Studium nach nur drei Semestern ab und beginnt im Hinblick auf seine Verlobung eine Tätigkeit als Volontär im preußischen Wirtschaftsministerium in Berlin, obwohl dies seinem Lebensplan einer freien Geisteshaltung widerspricht. Von 1804 bis 1807 ist er im diplomatischen Dienst in Königsberg, wo er aber auch an einigen literarischen Werken arbeitet.

1809 scheidet er aus dem Staatsdienst aus, um sich nunmehr ausschließlich von seinen „dramatischen Arbeiten“ zu ernähren. Im April 1910 erscheint der erste Band seiner Erzählungen mit „Michael Kohlhaas“, „Die Marquise von O…“ und anderen. Im Oktober 1910 beginnt er sein Zeitungsprojekt, die täglich erscheinenden „Berliner Abendblätter“ mit lokalen Nachrichten zur „Unterhaltung aller Stände des Volkes“ und zur „Beförderung der Nationalsache“. Darin schreiben auch Ernst Moritz Arndt, Achim von Arnim, Clemens von Brentano, Adelbert von Chamisso, Karl von Savigny usw. Eine Besonderheit sind die aktuellen Polizeiberichte. Im Frühjahr 1811 muss die Zeitung wegen verschärfter Zensurbedingungen eingestellt werden.

Kleist versucht vergeblich, wieder im Staatsdienst angestellt zu werden. Die Aufführung seines Schauspiels „Der Prinz von Homburg“ wird von König Friedrich Wilhelm III. verboten und die von Königin Luise bewilligte kleine Rente entfällt nach ihrem Tod. Ein zweiter Band mit Erzählungen bringt keine finanzielle Erleichterung. So nehmen die Gedanken an einen Suizid überhand. In der an Krebs erkrankten Henriette Vogel findet er dann eine Begleiterin in den Tod.

Mit ihr reist er am 20. November 1811von Berlin aus an und logiert im „Stimmingschen Krug“, jenem Gasthaus, das Wilhelm Conrad später abreißen und dort 1870 eine „Villa Alsen“ errichten lässt.

Am 21. November 1811 erschießt Kleist Henriette Vogel mit ihrem Einverständnis, dann sich selbst am gegenüber liegenden „Stolper Loch“, jetzt dem „Kleinen Wannsee“. Sie werden an Ort und Stelle begraben, da eine Beisetzung auf einem Friedhof nach damaliger Gepflogenheit nicht statthaft ist. Es gibt Abschiedsbriefe und einen ausführlichen Polizeibericht über die letzten Stunden des Paares, die in der einschlägigen Literatur nachzulesen sind. Im Kirchenbuch der Stahnsdorf-Machnower Kirchengemeinde heißt es: „Beide sind auf der Stelle, wo der Mord und Selbstmord geschah, in zwei Särge und in ein Grab gelegt worden.“

Die Pflege dieses Grabes ist schwierig, da es anfangs keinen Gedenkstein gibt und dort Kühe weiden. Die Stolper Bauern haben nämlich das vom König zugestandene Recht, ihr Vieh in den Grunewald zu treiben. Der Wunsch nach einem Gedenkstein ist zwar 1841 belegt, wird aber erst 1848 ausgeführt: ein unbehauener Granitwürfel mit Kleists Namen, Geburts- und Todestag zwischen den Grabhügeln neben einer Eiche. Die Gräber sollen von einem Förster gepflegt werden. Das Gelände geht Mitte des 19. Jhs an den Prinzen Friedrich Karl über, der dort eine Ziegelei betreibt. Um 1900 wird das Grundstück an eine Terraingesellschaft verkauft, die die Gräber auf den Friedhof in Stolpe oder den in der Colonie Alsen oder gar in den Wald umbetten will. Heftiger Protest der Bevölkerung verhindert das. Prinz Friedrich Leopold schenkt der damaligen Gemeinde Wannsee die Parzelle von 1490 qm um die Gräber herum und die Landgesellschaft weitere 2380 qm. Beide Parzellen sind heute noch durch grundbuchrechtliche Lasten gebunden.

Das Grab wird von den Nazis insbesondere während der Olympischen Spiele vereinnahmt. 1941 wird die von dem jüdischen Arzt Max Ring stammende Aufschrift „Er lebte, sang und litt“ durch einen Vers aus dem „Prinzen von Homburg“  „Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein“ ersetzt. 1964 wird der Grabstein wegen der Umstellung einer Parkbank um 90 Grad gedreht! 1992 stellt ein eigens einberufenes wissenschaftliches Symposium fest, dass das Kleist-Grab nicht verlegt wurde.

Zum kommenden 200. Todestag wird nunmehr der Grabstein wieder zurück gedreht, erhält auf der Vorderseite auch erstmalig Geburts- und Todesdatum von Henriette Vogel und wieder den ursprünglichen Vers „Er lebte, sang und litt“. Der Grabhügel wird gärtnerisch neu gestaltet und ein angemessener Zugang von der Königstraße her neu angelegt. So wird die Gedenkstätte endlich wieder eine angemessene Form erhalten und Anziehungspunkt für die vielen Verehrer des Dichters sein können.

Frau Bolte berichtet dann – der Chronik des Rektors Peter Hafftiz der Cöllner Stadtschule von 1599 folgend- über die  historische Figur des Hans Kohlhase und die Veränderungen in Kleists Novelle: „Michael Kohlhaas“.  Wie es zu dem Namen des Ortsteils Kohlhasenbrück kam, erläutert Frau Bolte anhand ihrer Recherchen im Archiv des Heimatmuseums Zehlendorf. Hatte Kohlhaas zunächst nur um sein Recht gekämpft, so setzte er sich mehr und mehr ins Unrecht und überfiel auch einen kurfürstlichen Silbertransport, und zwar dort, wo auf der wüsten Feldmark Damsdorf 1589 erstmals der Teerofen bei der Kohlhasenbrücke (bis 1716) als Vorgänger des Albrechtschen Teerofens belegt ist.

Die Anwesenden danken für einen spannenden Abend mit anhaltendem Beifall.

Ulrich Locherer

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