Frau Bolte begrüßt den Vortragenden des Abends, Herrn Andreas Kitschke, der sich schon seit 1974 intensiv mit der Geschichte der Garnisonkirche und nun nach der Wiedervereinigung mit ihrem Wiederaufbau beschäftigt.
Mit Originalaufnahmen des Glockenspiels eröffnet er den Vortrag. Mit Fotoprojektionen des berühmten Dreikirchenblicks, historischen Aufnahmen von Stadtschloss, Stadtkanal, der Breiten Straße und des Alten Marktes führt er in die Vergangenheit zurück.
Unter König Friedrich Wilhelm I. wird 1722 – 1725 die erste Potsdamer Garnisonkirche mit quadratischem Grundriss und einem einstöckigen Turm erbaut, der ein 35-stimmiges Glockenspiel des holländischen Glockengießers Jan Albert de Grave erhält. Der Bau muss wegen ungenügender Gründung auf schlechtem Baugrund ab 1730 wieder abgetragen werden. Der Neubau wird von Philipp Gerlach mit 3000 Sitzplätzen im Schiff und auf Emporen in nur knapp zweijähriger Bauzeit im Barockstil errichtet. Die Kirche erhält jetzt einen 90 Meter hohen Turm, der auch das Glockenspiel wieder aufnimmt. Dieses kann sowohl mit einer Walzentechnik als auch von einem Spieltisch aus bespielt werden und gilt bis heute als musikalisches Wahrzeichen Potsdams. Das Innere der Kirche ist dem Stil der Reformierten Kirche entsprechend spartanisch und ohne Bilder und Skulpturen gestaltet, hat nur einen einfachen Abendmahlstisch aus Holz, der auch als Tauftisch dient. Im Laufe der Zeit wird sie von den preußischen Architekten Knobelsdorff, Schinkel und Persius den sich verändernden Nutzungen entsprechend ausgestattet. Joachim Wagner baut 1731 über der die Kirche beherrschenden Kanzel eine Orgel mit 42 Registern, auf der auch Bach 1742 anlässlich seines Besuchs in Potsdam – natürlich in Begleitung Friedrichs II. – spielt.
Unmittelbar hinter der Kanzel wird ebenerdig eine kleine Gruft eingerichtet, in der später nur die Sarkophage der Könige Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II. stehen und die 1805 von Zar Alexander und 1806 von Napoleon besucht werden, was in Gemälden symbolträchtig dargestellt wird.
Nach den Befreiungskriegen wird die Kirche eine Stätte kirchlicher Erneuerung. Es kommt zur Versöhnung zwischen Reformierten und Lutheranern und zu einem Gottesdienst anlässlich der Vereinigung zur Preußischen Union. Auf Anordnung Friedrich Wilhems IV. entwirft Persius eine neue Stadtanlage mit einer 5-schiffigen Garnisonkirche. Diese Pläne werden nicht verwirklicht.
Der 21. März 1933, der „Tag von Potsdam“, hat das Geschick der Kirche wohl am nachhaltigsten beeinflusst. Der Reichstag in Berlin war abgebrannt, die Nazis suchen einen geeigneten Ort für die konstituierende Sitzung des neu gewählten Reichtages und die Vereidigung des Reichskanzlers Hitler. Die Kirchenleitung kann nicht verhindern, dass die Kirche dafür, wohl aber für weitere Sitzungen des Reichstages und andere Naziveranstaltungen missbraucht wird. Hindenburg und Hitler halten Reden, die die Verbindung des alten mit dem „neuen Reich“ beschwören. Das Bild mit dem Händedruck des greisen Reichspräsidenten und dem Reichskanzler geht um die Welt.
Die Stadt Potsdam und die Garnisonkirche kommen unbeschadet durch den Krieg, bis am 14. April 1945 in einem 20-minütigen Bombardement die Innenstadt mit Stadtschloss und Kirche zerstört wird. Ein in die Kirche eingeschlagener Blindgänger explodiert erst, als vom benachbarten „Langen Stall“ Funkenflug den Turm und dann die Kirche entzündet. Der Turm stürzt ein, die Glocken und das Innere werden zerstört, die Kirche bleibt als Ruine stehen.
Ab 1949 dient eine kleine Notkapelle im Glockenstumpf als „Heilig-Kreuz-Kirche“ einer kleinen Gemeinde, bis 1968 auf Anordnung der preußenfeindlichen SED-Führung die Ruine gesprengt wird. Am 23.6.1968 fällt auch der letzte Rest des Turmes.
Aber schon seit 1970 wird in Vorträgen in der Nikolaikirche zum Wiederaufbau der Garnisonkirche aufgerufen. 1987 wird in Iserlohn ein von Privaten gestiftetes 40-stimmiges Glockenspiel nachgebaut und aufgestellt, das 1991 nach der Wiedervereinigung nach Potsdam verbracht wird.
An der Frage des Wiederaufbaus der Garnisonkirche und ihrem Nutzungskonzept entzünden sich widersprüchliche Meinungen. Nach jahrelangen Diskussionen besteht jetzt aber Übereinstimmung darin, die Kirche in der früheren Gestalt wieder aufzubauen. Am 14. April 2005, dem 60. Jahrestag der Zerstörung, wird der Grundstein für den Wiederaufbau gelegt. Nach aktueller Planung wird als Ort der Versöhnung zuerst der Turm und dann bis 2017 die Kirche wieder erstehen. Mit Stadtkanal, Chausseebäumen in der Breiten Straße, der „Plantage“ und den Fassaden ehemaliger Stadtvillen soll die Potsdamer Stadtmitte um die Garnisonkirche wieder erlebbar werden.
Viele detaillierte Fragen werden abschließend von Herrn Kitschke sachkundig und engagiert beantwortet. Frau Bolte verbindet den Dank für einen interessanten Abend mit den besten Wünschen für eine gute Planung und einen schnellen Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam.
Ulrich Locherer