Führung: Der Landtag Brandenburg

Nach 3 1/2- jähriger Bauzeit am 10. Oktober 2013 an den Landtagspräsidenten übergeben, ist der Neubau des Brandenburger Landtags auch für Besucher zugänglich. Wir konnten eine der begehrten Führungen im Haus erleben. Im Auftrage von Frau Radka Stieler, Referat Öffentlichkeitsarbeit, begrüßte uns die Studentin für Politik und Verwaltungswissenschaft, Frau Henriette Kühnl, und führte uns als erstes in einen Raum mit einem archäologischen Fenster. Durch eine Glasscheibe am Boden konnten wir in den Keller des einstigen Potsdamer Stadtschlosses sehen. Laut Bauverordnung müssen vor Baubeginn archäologische Funde gesichert werden, und ich erinnere mich an eine interessante Führung auf diesem Gelände vor vielen Jahren. Hier konnte man eine slawische Burg aus dem Jahre 933, eine Wasserburg von 1320, ein Burgschloss von 1522, ein von Memhardt gebautes, frühbarockes Schloss des Großen Kurfürsten und das 1744 begonnene, im Auftrage von Friedrich II. neu errichtete Knobelsdorff- Schloss in Friderizianischem Rokoko nachweisen.
Auch nach dem Ende der Monarchie 1918 wurde das Gebäude vom Arbeitsamt, der Stadtverwaltung und dem Magistrat genutzt. Am 14. April 1945 aber zerstörte ein Bombenangriff die Potsdamer Innenstadt. Das Stadtschloss und weite Teile seiner Umgebung brannten nieder; dennoch waren 83 Prozent der verbliebenen Mauern tragfähig. Trotz großer Proteste befahl auch hier – wie 1950 beim Berliner Schloss – Walter Ulbricht an der Spitze der SED 1960 den Abriss, der eine offene Wunde in den Potsdamer Stadtkern riss. Die Trümmer wurden zur Aufschüttung des Lustgartens benutzt. Engagierte Bürger retteten 600 Teile des Schlosses; 370 davon konnten jetzt an originalen Positionen eingebaut werden. Die erhaltenen Attikafiguren allerdings wurden auf den Dachgesimsen des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität zu Berlin aufgestellt, was nun rückgängig gemacht werden könnte

Schon 1701 nach der Krönung des Kurfürsten Friedrich III. als König Friedrich I. in Königsberg hatte dieser ein neues Eingangstor von Jean de Bodt bauen lassen, dessen Figur auf der Spitze, die Fortuna, zum Namen „Fortunaportal“ führte. Ende März 1999 gründete sich der „Förderverein für den Wiederaufbau des Fortunaportals“, und Günther Jauch spendete eine Million Euro, um dieses originalgetreu wiederherzustellen. Damit wurde bereits 2002 ein erstes Zeichen für Wiederaufbaupläne gesetzt. Da der Brandenburger Landtag in einem maroden Gebäude auf dem Brauhausberg residierte, startete man eine Bürgerbefragung, die 2006 ergab, einen neuen Landtag in den Umrissen des historischen Potsdamer Stadtschlosses zu errichten.
Das Land Brandenburg erhöhte für den Neubau nach Plänen des Architekten Peter Kulka die Zuschüsse auf 110 Millionen Euro, aber die Finanzierung der historischen Fassade war nicht gesichert.

Dafür kämpfte eine Bürgerinitiative mit vielen Aktionen, was wiederum Hasso Plattner so beeindruckte, dass er für diesen Zweck 20 Millionen Euro und später noch einmal 1,6 Millionen Euro für das Kupferdach spendete. Von Frau Kühnl werden wir darauf hingewiesen, dass an der Westfassade des Neubaus der goldene Schriftzug „Ceci n’est pas un château.“ angebracht ist: „Dies ist kein Schloss“, denn im Inneren ist das Bauwerk weitestgehend funktional den Bedürfnissen als Parlamentsgebäude angepasst worden. Am Eingang lesen wir außer „Landtag Brandenburg“ auch die sorbische Bezeichnung, um auf die außer in Sachsen gleichfalls in Brandenburg lebende nationale Minderheit hinzuweisen. Durch das „Fortunaportal“ gelangen wir über den Innenhof in den Eingangsbereich, der an das Knobelsdorff – Treppenhaus mit den vier Marmor-Atlanten erinnern soll. Der Architekt Prof. Kulka will das Treppenhaus als Bindeglied zwischen historischer Fassade und der modernen Innenarchitektur verstanden wissen.
Vor dem Eingang zum Plenarsaal sehen wir von dem Künstler Lutz Friedel eine Ansammlung von überlebensgroßen Köpfen aus Holz, nach deren Interpretation wir gefragt werden. Unser Mitglied Gisela Mottau meint: „Große Köpfe braucht das Land!“ Außerdem befinden sich hier im Flur Friedels z. T. umstrittene Bilder: „Vorbilder-Nachbilder-Gegenbilder“ noch bis zum 13. Dezember 2014.

Dann betreten wir den Plenarsaal (früher Gartensaal) für derzeit 88 Abgeordnete der 44 Wahlkreise, erweiterbar auf 150 Abgeordnete im Falle einer Fusion mit Berlin. Die Gästetribüne verfügt über 160 Plätze. Außer den mit einem sehr kräftigen Rot versehenen Sitzen bleibt alles in Weiß, auch der große Adler, über den in letzter Zeit viel debattiert wurde. Weiß ist der polnische Adler, rot dagegen der brandenburgische, aber vor der Ausführung ist diese Version von der Kunstkommission abgenommen worden. Unter dem weißen Adler in der Mitte entdecken wir eine Bronzetür, die bedeuten soll, dass die Abgeordneten nur auf Zeit durch die eine Tür hinein- und durch eine andere Tür wieder hinauskommen. Das Licht fällt durch eine gläserne Kuppel und durch Fenster hinter dem Präsidium ein.
Über die derzeitige Sitzordnung der Fraktionen werden wir auch anhand eines Faltblattes informiert. Für die Abgeordneten besteht an Sitzungstagen von 10 bis 23 Uhr Anwesenheitspflicht, weil hier die Diskussion der Themen öffentlich werden soll. Die größte Arbeit erfolgt jedoch in 13 Ausschüssen. Dafür gibt es noch 39 Büros und elf Sitzungssäle. Der Landesrechnungshof befindet sich ebenfalls in der 3. Etage.

Zum Abschluss begeben wir uns auf das Dach des neuen Landtags. Beeindruckt von dem Blick in den Innenhof, erfahren wir, dass er gegenüber dem einstigen Schlosshof um ein Viertel verkleinert werden musste. Wir können auch Dachluken als Fenster für die Büros erkennen. Das Ganze bietet aber vor allem durch die großartige Farbgestaltung des Rotocker der Außenfassade ein großartiges Bild. Wir genießen den Ausblick auf die 2,15 m hohe und 5 Zentner schwere, sich je nach dem Wind drehende Fortuna, auf die schöne Nikolaikirche, auf das alte Rathaus (jetzt Potsdam-Museum), auf die Kuppel des ehemaligen Militärwaisenhauses, auf den Turm der Kirche St. Peter und Paul, auf den modernen Turm anstelle der Heilggeistkirche und sogar auch auf den Flatow-Turm im Park Babelsberg.

Mit dem Neubau des Parlamentsgebäudes am Alten Markt ist der Landtag näher an die Menschen gerückt. Und sie können – anders als im Reichstag – ohne Ausweis- und Taschenkontrolle das Gebäude betreten, sich im Foyer den Ausstellungsbereich ansehen und die Cafeteria aufsuchen sowie im 4. Obergeschoss im Landtagsrestaurant Platz nehmen.
Begeistert danken wir Frau Kühnl, die uns in diesem neuen Gebäude so engagiert führte, in relativ kurzer Zeit eine Fülle an Informationen sehr lebendig vermittelte und kompetent auf unsere Fragen antwortete. Das war eine sehr lohnende Vereins-Aktivität, wie ich von allen Mitgliedern hörte!

Hannelore Bolte

(Fotos: Werner Siepmann)

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