Der Weg des jungen Moses Mendelssohn nach Berlin

Wir hören heute einen Vortrag von Herrn Holtz, dem langjährigen Leiter des Steglitzer Heimatmuseums, der im Jahre 2004 einen möglichen Weg des jungen Moses nachgewandert ist. Vor unserem geistigen Auge entsteht ein Bild von der Wanderung des 14-jährigen, vielleicht auch bereits 15-jährigen, Moses Mendelssohn von seinem Geburtsort Dessau nach Berlin im Herbst 1743.

Mit 14 Jahren wird ein jüdischer Junge volljährig. Und so entschied sich Moses aus Dessau oder wie er sich selbst nannte “Mausche mi-Dessau” im Herbst 1743 seinem Lehrer, dem Rabbiner Fränkel, nach Berlin zu folgen. Als Moses acht oder neun Jahre alt war, zog der Oberrabbiner Fränkel nach Dessau. Hier unterrichtete er jüdische Schüler, so auch den wissensdurstigen, äußerst lernbegierigen jüngsten Schüler Moses Mendel. Dieser brachte seinem Lehrer große Verehrung und Liebe entgegen und entschloss sich, Fränkel nach Berlin zu folgen.

Es gibt keine Aufzeichnungen oder eigene Berichte von Moses Mendelssohn über diese Reise oder vermutlich Wanderung von Dessau nach Berlin. So beruht auch die Wanderung von Herrn Holtz und seinem Weggefährten auf Vermutungen, wie Moses nach den damaligen Örtlichkeiten gegangen sein könnte, um nach Berlin zu gelangen.

Am 30.8.2004 beginnen sie ihren Weg in Dessau in der Sandvorstadt und folgen alten Wegen und Poststraßen, die heute vergessen oder bereits zugewachsen sind. Die Wanderer haben dabei neue, schwierige Hindernisse zu überwinden, wie z.B. Autobahnen usw. Der Weg, den Moses gegangen sein könnte, führt über Wörlitz, das seinerzeit eine große jüdische Gemeinde besaß. Weiter ging es dann über die Elbe bei Coswig, vermutlich mit einer Gierfähre (noch heute aktiv) oder durch eine Judenfahrtbuhne, die dort im Archiv ermittelt wurde, zur Zerbster Vorstadt. Die dortige jüdische Gemeinde erbaute erst 1800 eine Synagoge, die Moses also zu seiner Zeit noch nicht kennen gelernt hat. Die damalige Poststraße führt direkt durch die damalige preußische Enklave Bossdorf in Sachsen. Ob er wohl, um den Leibzoll zu sparen oder den preußischen Beamten aus dem Weg zu gehen, die Enklave, vollständig von einer Hecke umgeben, umrundet hat? Es ist unbekannt. Es folgte dann eine Wanderung von zwei Tagen durch den Fläming über alte Postwege. Wir können sehr romantische Fotografien der Landschaft betrachten, vermutlich hatte Moses dafür seinerzeit kein Auge! Es geht weiter durch Lobbese, Rietz nach Treuenbrietzen, früher Brietzen. Sie war die Grenzstadt zu Preußen mit einer großen jüdischen Gemeinde. Die alte Poststraße verläuft dann weiter westlich der heutigen B 2 über Buchholz nach Beelitz. Dort existiert noch ein jüdischer Friedhof, der sich heute wieder im gepflegten Zustand befindet. Beelitz war die erste deutsche Stadt der Wunderblutlegende. In der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden hier Juden hingerichtet, die angeblich die heilige Hostie geschändet hatten. Aber zur Zeit der Wanderung von Moses durch Beelitz werden bereits wieder einige Juden erwähnt. Über Wildenbruch, Saarmund, Güterfelde (früher Gütergotz) führte die alte Poststraße weiter nach Stahnsdorf. Es folgte Teltow seinerzeit ohne jüdische Gemeinde. Über Lichterfelde ging es dann zum Halleschen Tor. Der junge Moses musste Berlin umrunden, um endlich zum Rosenthaler Tor (Quelle: Heinz Knobloch: “Herr Moses in Berlin“ ) zu gelangen, denn nur dort durften fremde Juden sich von der jüdischen Gemeinde einen Passierschein ausstellen lassen (siehe hierzu auch Vortrag vom 12.6.2003 von Frau von Nieding von der Mendelssohn Gesellschaft Berlin – unser Jahresheft 2003). Es war den Juden nur möglich über die Klappbrücke “Unterbaum” am Rosenthaler Tor nach Berlin hineinzukommen. Moses hatte Glück und gelangte nach Berlin hinein und musste nicht im jüdischen Hekdesch am Rosenthaler Tor Quartier beziehen wie viele andere Juden, die nicht nach Berlin hereingelassen wurden.

Am 6.9.2004, zum 275. Geburtstag von Moses Mendelssohn, trafen Herr Holtz und sein Begleiter in Berlin ein. Die große Begrüßung fand im Hof der Neuen Synagoge durch Hermann Simon, Direktor des Centrum Judaicum, und Cécile Lowenthal-Hensel, einer Nachfahrin von Moses, an der Gedenktafel vom einstigen Mendelssohnschen Wohnhaus statt.

Es fand eine Wanderung ihr Ende, die nach vielen Recherchen und Erkundigungen darlegt, welchen direkten Weg der junge Moses seinerzeit nach Berlin unter den damaligen Grenzen und Post- und Wanderwegen genommen haben könnte.

Inge Redlich

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