Das französische im Berliner Jargon

Zu Beginn des Treffens wünscht Frau Bolte allen Anwesenden Glück und Segen für das Neue Jahr. Dann berichtet sie über die gerade abgeschlossene Vorstandssitzung und bittet alle Mitglieder mit Verweis auf das Stimmrecht bei der Jahreshauptversammlung am 08.03.2012 um baldige Bezahlung des Mitgliederbeitrages. Für die diesjährige Tagesfahrt am 09.06.2012 nach Branitz und Forst ist eine möglichst umgehende und verbindliche Anmeldung notwendig. Auf Befragen möchte die Mehrzahl der Anwesenden sowohl einen Spaziergang als auch eine Gondelfahrt im Schlosspark Branitz machen.
Gegen die elektronische Einladung zu Veranstaltungen an Mitglieder mit E-Post-Anschlüssen gibt es keine Einwände.

Frau Karin Lau, Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Steglitz-Zehlendorf, stellt dann auf Einladung von Frau Bolte diese Einrichtung vor, die unter dem Motto „Für einen lebenswerten Südwesten“ steht. Aufgrund eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung wurde sie im Jahre 2003 gegründet. Sie erhält keine öffentliche Förderung, sondern wirbt Stiftungskapital und Spenden ein und arbeitet dann mit den Kapitalerträgen. Sie ist gemeinnützig, überparteilich und ohne konfessionelle Bindung. Die Stiftung fördert und initiiert eigenverantwortlich ausgewählte gemeinnützige Projekte für alle Altersgruppen, die keine Pflichtaufgaben der öffentlichen Hand sind. Projekte für Kinder und Jugendliche und Menschen mit Behinderungen stehen dabei im Mittelpunkt. Sie führt Menschen zusammen, die sich als Stifter und Spender oder als ehrenamtlich engagierte Bürger für Natur und kulturelle Vielfalt im Bezirk einsetzen wollen.
Frau Lau lädt die Mitglieder ein, sich mit Zeit und Geld, mit Ideen und ehrenamtlichem Engagement an der Bürgerstiftung zu beteiligen und übergibt Informationsmaterial und weitere Erläuterungen zu einzelnen Projekten und Aktivitäten.
Unter großem Beifall dankt Frau Bolte für die Informationen und ermuntert ihrerseits zur Mitarbeit.

Frau Bolte begrüßt dann Herrn Jochen Reinecke zu seinem Vortrag „Das Französische im Berliner Jargon“.  Eingangs weist er darauf hin, dass jede Sprache ständigem Wechsel unterworfen und den vielfältigsten Einflüssen, auch von anderen Völkern, ausgesetzt ist. Mit einem Verweis auf die Beeinflussung der ursprünglich keltisch-germanischen englischen Sprache durch das Normannische nach 1066 leitet er auf die deutsche Sprache über. Sie und insbesondere das  Berlinische, das von Fontane als „Jargon“ bezeichnet wurde, hat viele Wurzeln. Es gibt keltisch-germanische, slawische und insbesondere polnische und jiddische Quellen. Der französische Einfluss ist, wie auch in einigen anderen deutschen Mundarten – weniger in der Hochsprache – immer noch sehr prägend.
In den Residenzstädten Berlin und Potsdam wurde bei Hofe Französisch gesprochen, wofür Friedrich II. ein besonderes Beispiel ist. Aber schon früher war die städtische Bevölkerung seit der 1685 erfolgten Ansiedlung hugenottischer Flüchtlinge französisch beeinflusst. Ende des 17. Jahrhunderts war sie zu 20% französischer Abstammung. Die Flüchtlinge waren gut ausgebildet, erhielten Privilegien und einflussreiche Stellungen, insbesondere als Erzieher. Sie sind in Familiennamen noch heute zu erkennen, wie Fontane, Lenné, de Maiziere, Baudissin usw.
Aber auch insbesondere in der Küche und bis heute in die Mode reichen Einflüsse, wie an zahllosen Ausdrücken zu erkennen ist. Boulette, Omelette, Frikassee oder Bluse, Kostüm, Taille sind nur einige wenige Beispiele.
Die zweimalige Besetzung Preußens durch französische Truppen und Einquartierungen in Privathäusern während der napoleonischen Kriege (1806 und 1812/13) verstärkt den französischen Einfluss und erreicht so insbesondere auch das einfache Volk. Es bürgern sich zahlreiche französische Ausdrücke in der ganz einfachen Alltagssprache ein, wie z.B. mutterseelenallein (moi tout seul), Muckefuck (mocca faux), Pöbel (peuple). Dabei ist aber auch als interessante Entwicklung zu beobachten, dass französischen Ausdrücken deutsche Entsprechungen angehängt werden und so zu Doppelungen führen, wie folgende Beispiele zeigen: infame Gemeinheit, auf neu renoviert, Chapeauhut, Jardingarten, Frommagekäse. Es werden aber auch deutsche Ausdrücke mit französischen Endungen versehen, die Teil unseres sprachlichen Alltags sind.
Heute ist aber klar zu erkennen, dass mit dem immer weniger zu hörenden Berlinischen im Alltag die französisch beeinflussten Ausdrücke und Begriffe verschwinden. Es ist eine zunehmende Beeinflussung durch angelsächsisch/amerikanische Ausdrücke zu beobachten; das Französische weicht zurück.

Frau Bolte dankt unter großem Beifall Herrn Reinicke für einen sehr erheiternden Vortrag und weist  auf ein Vereinsmitglied hugenottischer Abstammung hin, auf Frau Evelin Rudolph geb. Bellack. Im Anhang des letzten Jahrbuchs wurde die Familie Bellack (französischer Name = schöner See) vorgestellt.

(Literatur zur Vertiefung: Ewald Harndt: „Französisch in Berlin“, Stapp-Verlag; Wilhelm Franke: „So red’t der Berliner“, Arani Verlag, Bln; Walter Kiaulehn: „Der richtige Berliner“, Biederstein Verlag)

Ulrich Locherer

Nach oben scrollen