Wir fahren bei regnerischem Wetter nach Ferch an den Schwielowsee, eine wohl slawische Gründung aus dem 14. Jahrhundert. Wir wollen die kleine, in einem verwunschenen Friedhof stehende Fachwerkkirche aus der Zeit des 30-jährigen Krieges ansehen, in der uns ein besonders schöner Taufengel erwartet.
Unser Mitglied Frau Angelika von Magnus ist im „Förderkreis Alte Kirchen“ aktiv und macht uns heute mit den brandenburgischen Taufengeln bekannt. Beim Eintreten in die kleine Kirche empfängt uns der im Schiff hängende mächtige Engel. Er schwebt waagerecht und mannshoch von dem tiefblauen, leicht bewölkten Himmel des Kirchenschiffs, das in der Form eines Bootskörpers gebaut ist. Er ist erstaunliche 1,81 m groß, bunt bemalt, trägt in der Hand seines rechten, weit ausgestreckten Armes eine hölzerne Taufschale in der Form einer Muschel und in der erhobenen linken Hand einen Palmzweig. Er hängt an einem Metallseil, das im Dachraum über eine Umlenkrolle läuft und so zur Taufe heruntergelassen werden kann. In die hölzerne Muschelschale kommt dann die mit Taufwasser gefüllte Taufschale aus dem Jahre 1738. Der Engel wurde 1950 restauriert, so dass er auch heute noch seinen Dienst versehen kann.
Lutherische Kirchen wurden nur im Barock zwischen 1660 und 1780 mit Taufengeln ausgestattet. In dieser Zeit finden sich besonders viele Engel aller Art, gemalt oder in plastischer Form, an Altären, Kanzeln, Decken, Wänden und Orgeln. Sie sollen den göttlichen Segen überbringen und so die Verbindung zwischen Himmel und Erde, Gott und den Menschen darstellen. Für Taufbecken war insbesondere in kleineren Kirchen, in denen Patronatslogen in der Nähe des Altares sein mussten, kein Platz mehr. So bot es sich an, diese Becken durch Taufengel zu ersetzen und so das Platzproblem zu lösen. Sie waren meist lebensgroß, aus Lindenholz geschnitzt, aufwändig bunt bemalt und teilweise vergoldet. Sie hingen meist waagerecht in der Kirchenmitte vor dem Altar, seltener aufrecht oder schräg. In der folgenden Zeit der Renaissance kamen die Engel aus der Mode. So ist nur noch ein kleiner Rest von etwa 150 Taufengeln erhalten geblieben, die meistens auf den Dachböden der Kirchen oder Pfarrhäuser, in Abstellkammern oder Kellern und in teilweise erbärmlichem Zustand überlebt haben. Sie werden nun aufwändig und liebevoll restauriert und finden oft ihre angestammten Plätze in den Kirchen wieder und dienen so ihrem ursprünglichen Zweck. Wir bewundern dann die schön geschnitzte Kanzel über dem Altar, wie sie üblicherweise und ursprünglich in reformierten Kirchen üblich war, finden die Wappen von Rochows und von Arnims. Wir versuchen die Aufschriften auf den Totenbrettchen zu entziffern, die an der rundum laufenden Empore angebracht sind.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei Frau von Magnus für eine tiefgründige Darstellung der Taufengel. Sie weist uns ihrerseits hin auf die Bemühungen des Förderkreises „Alte Kirchen in Brandenburg e.V.“, der unter dem Motto „Menschen helfen Engeln“ um Spenden bittet.
Wir gehen dann zum schräg gegenüber liegenden Museum der Havelländischen Malerkolonie, das seit 2008 von einem im Januar 2002 gegründeten Förderverein ehrenamtlich betreut und betrieben wird. Das letzte erhaltene reetgedeckte Kossätenhaus mit Fachwerk aus dem Jahr 1848 wurde von der Gemeinde erworben und mit Hilfe von öffentlichen Mitteln restauriert und so vor dem Verfall gerettet. In ihm sehen wir uns die Sommerausstellung 2012 „Eugen Bracht-Klasse in der Mark“ an, die den Werken der Landschaftsmaler gewidmet ist, die um 1900 bei Prof. Eugen Bracht an den Kunstakademien Berlin und Dresden studiert und anschließend in der Mark gelebt und gemalt haben. Sie malten meist im Freien und suchten sich Motive in der Umgebung an der Havel und in den Wäldern um Berlin. Wir begegnen Theodor Schinkels „Schwielowsee“, Hans Hartigs „Dorfstraße“, Johannes Hänschs „Waldsee“, Karl Kayer-Eichbergs „Haus im Grünen“ und anderen. Die Bilder zeigen eine melancholische Landschaft, die auch heute noch so in der Mark zu finden ist. Werke von Karl Hagemeister, des wohl bekanntesten Künstlers der Malerkolonie, sind z. Z. im Bröhan-Museum in Berlin ausgestellt und sind erst wieder im Winter in Ferch zu sehen.
In der Bootsklause am Schwielowsee lassen wir bei Kaffee und Kuchen einen schönen Ausflug in unsere nähere Umgebung ausklingen.
Ulrich Locherer
(Fotos: Werner Siepmann)