Zunächst begrüßte Frau Bolte sehr herzlich die Mitglieder und Gäste und stellte als neue Vereinsmitglieder Frau Barbara Koehler, Frau Christina Skowronek und Herrn Wolfgang Steffen vor.
Und plötzlich steht leibhaftig der „Alte Fritz“ im Raum. Auch wenn in der Einladung auf sein Erscheinen hingewiesen wurde, ist die Überraschung dennoch groß. Hermann Lamprecht tritt mit originalgetreuer Uniform, einer Allongeperücke, einem Dreispitz, den passenden Stiefeln und einem königlichen Stock auf. Ohne Pause erzählt „Majestät“ aus seinem Leben, von seiner Kindheit, den 13 Geschwistern, von denen mit ihm immerhin neun das Erwachsenenalter erlebten. Die ersten beiden Söhne vor ihm aber starben früh, so dass schon von einem Fluch über dem Hohenzollerngeschlecht gesprochen wurde. Das zweite Kind, Wilhelmine, die spätere Markgräfin von Bayreuth, wurde seine Lieblingsschwester. Auch wenn Friedrich II. an der Erbkrankheit Gicht litt, ist er immerhin erst 1786 mit 74 Jahren gestorben im Gegensatz zu seinem Vater, der unter permanenten Schmerzen litt und nur gerade 52 Jahre alt wurde.
Über diese Person erzählt „unser Besuch“ viel; in der umfangreichen Literatur hat ihn am meisten Jochen Kleppers detailliert recherchiertes Buch: „Der Vater“ beeindruckt. Vieles bis dahin wenig Bekannte bekommen wir an diesem Abend von Friedrich Wilhelm I. zu hören. Nachdem sich sein Vater, der Kurfürst Friedrich III., 1701 in Königsberg selbst die Krone als „König in Preußen“ aufgesetzt und für seine prunkvolle Hofhaltung sehr viele Schulden gemacht hatte, schuf sein Sohn nach dessen Tod 1713 erst einmal ein funktionierendes Staatsgebilde. Er selbst prüfte Einnahmen und Ausgaben, mahnte zum Sparen, sorgte aber auch für soziale Einrichtungen wie für eine Armenspeisung. Mit der Bezeichnung als „Soldatenkönig“ in unseren Ohren eher negativ besetzt, hat er aber nie Krieg geführt, sondern in der damaligen Zeit durch die Schaffung einer geordneten Armee allmählich Anerkennung dieses kleinen Landes Preußen gewonnen.
So wollte Friedrich Wilhelm I. nach seinem Bilde auch den Thronfolger Friedrich formen, bereits vom achten Lebensjahr an. Bis dahin bestand auch zur Mutter keine große Nähe: Es war in Königshäusern und im Adel selbstverständlich, dass eine Amme für das Neugeborene sorgte.
Maria Lüdicke aus Zehlendorf, die 1708 Christian Haupt geheiratet hatte, wurde von Friedrich Wilhelm I. auf einer Durchreise 1712 zur Amme auserkoren, was für die Familie eine große Ehre bedeutete (s. Archiv der Giesensdorfer Kirche und auch Jahrbuch 1989 für Zehlendorf im Heimatmuseum Zehlendorf).
Der nur 1,59 m große Thronfolger mit Schuhgröße 37, „erzogen“ mit Schlägen und Stößen seines Vaters, wagte es schließlich, sich aufzulehnen. Sein Fluchtversuch mit Katte scheiterte jedoch; dieser wurde sogar hingerichtet, während Friedrich auf die Festung Küstrin verbannt wurde. Voraussetzung für die Rückkehr des Kronprinzen nach Berlin war die Einwilligung zur Hochzeit mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, die er 1733 aufgrund politischer Ziele seines Vaters heiraten musste.
Hatte sich Friedrich Wilhelm I. gern auf sein Jagdschloss Wusterhausen zurückgezogen, schenkte er seinem Sohn Friedrich Rheinsberg, das er nach seinem Geschmack umbauen durfte und wo Friedrich und Elisabeth Christine bis 1740 wohnten. Nach der Thronbesteigung lebte der König fortan getrennt von seiner Gemahlin. Sie erhielt Schloss Schönhausen als Sommersitz. Hier und auch im Winter im Berliner Schloss hat Elisabeth Christine vorbildlich die Repräsentationspflichten erfüllt. Das von Knobelsdorff gebaute Weinbergschlösschen „Sanssouci“ dagegen war dem König mit seinen hoch intellektuellen Tafelrunden vorbehalten, wo er auch exzellent Flöte spielte und selbst komponierte.
Der Schöngeist Friedrich, der sich in jedem seiner Schlösser eine Bibliothek einrichtete, hat aber später das von seinem Vater aufgebaute Militär genutzt, um die drei „Schlesischen Kriege“ zu führen. Sie kosteten große Opfer an Menschenleben und sehr viel Geld, doch Preußen wurde zu einer europäischen Großmacht!
Dass Friedrich der Große 1785 sogar einen Freundschaftsvertrag mit Amerika geschlossen hatte, der die Anerkennung der Vereinigten Staaten von Amerika bedeutete, konnte man im vergangenen Jahr in der großen Friedrich-Ausstellung im Neuen Palais sehen. Jedes Jahr findet in New York eine große Parade statt zu Ehren des preußischen Offiziers, Friedrich Wilhelm von Steuben, der in seiner zweiten Karriere als US-amerikanischer General die Kontinentalarmee erneuerte und zum Helden des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges unter dem Oberbefehl George Washingtons wurde. Innenpolitisch hat Friedrich II. Projekte, die bereits sein Vater begonnen hatte, fortgeführt, nämlich die Trockenlegung des Oderbruchs und die Besiedlung des Landes mit Einwanderern. Man sprach von Peuplierungsmaßnahmen, denn Menschen waren wertvolles Material. Lange nach der verheerenden Dezimierung der Bevölkerung infolge des Dreißigjährigen Krieges wurde nun, auch hier in Stolpe, den armen Kossäten unseres Dorfes geholfen; sie erhielten das bearbeitete Land als Eigentum. Der sog. „Kartoffelbefehl“ 1756 sollte den Hungersnöten entgegenwirken. (Doch schon der Große Kurfürst hatte die Pflanze eingeführt!) Auch auf viele unserer Fragen wie nach dem Schulwesen oder der Zugehörigkeit zur Freimaurerloge antwortete unser Gast sehr eingehend.
Das und noch viel mehr hörten wir von dem „sich erinnernden“ Herrscher.
Hielt „Majestät“ inne und fragte, ob er weiter plaudern sollte, wurde das dankbar bejaht, und so vergingen fast zwei Stunden wie im Fluge. Voller Bewunderung lauschten wir „dem König“, wie er eine unglaubliche Vielfalt zu den erwähnten Herrschern und ihrer Zeit detailliert, aber so unterhaltsam wie möglich vorstellte. Auch der erstaunliche körperliche Einsatz – in dieser Uniform stehend und schreitend -zollte unseren Respekt!
Auf diese Weise beschäftigt sich der ehemalige Zehlendorfer, nun in Teltow lebende Hermann Lamprecht, der beruflich etwas ganz anderes gemacht hatte, seit 20 Jahren mit der preußischen Geschichte.
Unser Applaus für diese großartige Leistung war sehr groß, und wir dankten Herrn Lamprecht aufs Herzlichste für seinen Auftritt, ehe er mit der ihm überreichten Dankeskarte, dem Chodowiecki- Bild des „Alten Fritzen“, auf seinem Pferd davonritt.
Aus der Fülle der angesprochenen Themen konnte ich hier nur einen kleinen Teil wiedergeben und denke, dass dieser Abend noch lange in uns nachklingen wird.
Hannelore Bolte