Von Berlin nach Potsdam: Wissenschaftliche Institute auf dem Telegraphenberg und in Neubabelsberg

Frau Bolte begrüßt den Referenten des heutigen Abends, Herrn Dr. Klaus Arlt, und seinen Bruder Herrn Kurt Arlt vom Astrophysikalischen Institut Potsdam sowie die Mitglieder und Gäste.
Herr Dr. Alt beginnt seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass Potsdam in enger Beziehung zu Berlin stand, über dessen wissenschaftliche Einrichtungen er zunächst sprach. Genau vor 300 Jahren ist die Kurfürstlich-Brandenburgische Societät der Wissenschaften, später Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin gegründet worden. Die Akademie hatte nach der Kalenderreform das Kalendermonopol und hatte ihren Sitz im Berliner Marstall an der heutigen Dorotheenstraße. Daneben gab es viele weitere wissenschaftliche Institute wie z. B. die Königliche Bauakademie oder die Königliche Tierarzneischule u. v. a. m.
Nach dem Frieden von Tilsit 1807 hatte Preußen die wichtige Universität Halle an Westfalen verloren, so dass Bemühungen um eine Universität in Berlin forciert wurden. Übrigens hat sich auch Carl Friedrich von Beyme, den wir vom Gutshaus Steglitz kennen, sehr stark hierfür eingesetzt, und am 16. August 1809 wurde dann auf Initiative Wilhelm von Humboldts die Universität gegründet. 1810 nahm sie als Berliner Universität (Alma Mater Berolinensis) ihren Betrieb in dem leer stehenden Palais des Prinzen Heinrich in der Straße Unter den Linden auf. Von 1828 bis 1946 führte sie den Namen Friedrich-Wilhelms-Universität, zu Ehren ihres Gründers, des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. 1949 erhielt die Universität den Namen Humboldt-Universität zu Berlin.
In Verbindung mit der Akademie stand die 1. Berliner Sternwarte in dem 1708/1709 errichteten Turm auf dem Marstall in der Dorotheenstadt.  Der 27 Meter hohe Bau war eine der ersten Turmsternwarten des 18. Jahrhunderts. Die neue Berliner Sternwarte wurde 1832/33 von Karl Friedrich Schinkel gegenüber vom Kammergericht (heute Teil des Jüdischen Museums) erbaut. Von hier aus wurde drahttelegrafisch die Zeit der sechs Normaluhren bestimmt.
Gegen Ende des Jahrhunderts war aber auch dieser Standort nicht mehr geeignet. Das schnelle Wachstum Berlins führte dazu, dass die einst nach über 120 Jahren am Rand der Stadt neu errichtete Sternwarte wiederum völlig umbaut worden war und somit den Ansprüchen der Forschung nicht mehr genügte. Eine neue Sternwarte musste außerhalb des Großstadt-Ballungsraumes entstehen. Zunächst waren Dahlem und Grunewald im Gespräch, aber dann entschied man sich für Babelsberg. Außerdem geht auf Wilhelm Foersters Anregung die Errichtung des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam 1874 zur Sonnenbeobachtung auf dem Telegraphenberg in Potsdam zurück. Den Namen erhielt der 95 m hohe Ort  wegen der 1832 dort errichteten optischen Telegrafenstation (ein 6 m hoher Mast, der mittels Flügelpaaren Zeichenkombinationen weitergab). Friedrich Wilhelm III. ließ in diesem Jahr die Preußische Staatstelegrammlinie zwischen Berlin und Koblenz errichten, um Nachrichten schnellstmöglich zwischen dem Rheinland und Preußen austauschen zu können. Mit der Nr. 1 auf dem Turm der alten Sternwarte gehörte der 4. Mast auf dem Telegrafenberg zu den insgesamt 62 Stationen auf dem fast 550 km langen Weg. 1852 wurde diese Linie nach der Einführung der elektrischen Telegrafie eingestellt.

Bedauernd erwähnt Herr Dr. Arlt, dass nach dem Umzug der schöne Schinkel-Bau der neuen Sternwarte in Berlin im Jahr 1913 abgerissen wurde. In die Sternwarte in Babelsberg wurde 1924 das zweitgrößte Spiegelteleskop eingebaut; 1945 wurde es auf die Krim verbracht, und dort ist es seit 1952 zu sehen. Neben den materiellen Kriegsverlusten -betont Herr Dr. Arlt- waren vor allem die Verluste der Mitarbeiter, die im Krieg geblieben waren, sehr groß.
Herr Dr. Arlt stellt die Potsdamer Einrichtungen in vielfältigen Fotos vor: die Sternwarte in Babelsberg und das große Areal auf dem Telegraphenberg. Hier ist eine richtige kleine Stadt mit Wohnungen, einer eigenen Gasanstalt u. v. a. m. entstanden. Nach Plänen des Architekten und Oberbaudirektors Paul Emanuel Spiekers, eines Schülers von Friedrich August Stüler, wurden die Klinkergebäude im klassizistischen Stil in einen englischen Landschaftsgarten integriert. Es entstanden folgende Institute und Observatorien: 1876 bis 1879 das Hauptgebäude des Astrophysikalischen Observatoriums (heute Michelsonhaus), 1889 bis 1892 das Hauptgebäude des Geodätischen Instituts Potsdam (heute Helmerthaus), 1892 bis 1893 Geodätisch-Astronomisches Observatorium mit Meridianhäusern und einem Beobachtungsturm (heute Helmertturm), 1888 bis 1893 Magnetisches Observatorium und Meteorologisches Observatorium (heute Süringhaus) und 1896 bis 1899 Großer Refraktor; der Refraktor wurde seit 2003 restauriert und am 31. Mai 2006 wieder eingeweiht. Am Gebäude des AOP befindet sich eine Gedenktafel für Friedrich Wilhelm III., den ersten Förderer dieser Forschungen. Im Keller des Hauses führte 1881 Albert Abraham Michelson die erste Version seines berühmten Michelson-Morley-Experiments, den Interferometer-Versuch zum Nachweis des Äthers durch. Heute kann man den originalgetreuen Nachbau des Experimentes an diesem Ort sehen. Für Erdmagnetismus musste Spieker ein Gebäude erstellen, das vollständig ohne Eisenteile auskam! Seit 1893 gibt es das Meteorologische Institut mit der davor liegenden Messwiese, wo bis heute fast ohne Unterbrechungen die Daten gesammelt wurden. Hierzu erzählt Herr Dr. Arlt folgende Geschichte: Ab 20. April 1945 wurden alle verbliebenen Mitarbeiter zum Volkssturm verpflichtet, aber ab 24.April 1945 kümmerte sich der damals 79-jährige Professor Reinhard Süring wieder um die Aufzeichnungen.
Am 26. August 1899 wurde der Große Refraktor in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. in Betrieb genommen. Es handelt sich hierbei um ein Doppelfernrohr für fotografische und visuelle Beobachtungen mit 80 und 50 cm großen Öffnungen. Es ist das viertgrößte Linsenteleskop der Welt. Das Instrument wurde 1945 durch einen Luftangriff beschädigt, aber bis 1953 durch das Unternehmen Carl Zeiss Jena repariert. Beobachtungen konnten dann mit Hilfe des Refraktors bis 1968 durchgeführt wurden, danach wurde der Betrieb eingestellt. Von April 2003 bis Mai 2006 erfolgte die Restaurierung des Refraktors. Ein Förderverein, dessen Geschäftsführer Herr Kurt Arlt ist, kümmert sich um den Erhalt des Großen Refraktors.
Der architektonisch so revolutionäre Bau des Einsteinturms ist zwischen 1920 bis 1924 entstanden. Der Architekt Erich Mendelsohn erstellte den Turm in so genannter Mischbauweise mit Stahlbeton, was aber damals noch nicht so ausgereift war, so dass sich immer wieder große Probleme in den folgenden Jahrzehnten ergaben. In den Jahren 1997 bis 1999 erfolgte die bisher gründlichste Sanierung für etwa drei Millionen Euro. Der Turm wurde nach dem Nobelpreisträger für Physik des Jahres 1921 benannt, der den Bau mit dem Wort: „Organisch!“ kommentierte. Mendelsohn war mit dieser Bewertung durchaus einverstanden; er erklärte: „Ich übertrage zum ersten Mal Funktion und Dynamik als Gegensatzpaar auf das Gebiet der Architektur.“ Hier sollte die Gültigkeit von Einsteins Relativitätstheorie experimentell bestätigt werden. Heute befindet sich im Eingangsbereich auf einem Sockel zu Ehren des Physikers seine gerettete Porträtbüste. Ursprünglich im Arbeitszimmer des Observatoriums, wurde sie 1933, gleich nach Beginn der nationalsozialistischen Diktatur, als der Einsteinturm seinen Namen und seinen Status als selbständiges Institut verlor, von Mitarbeitern versteckt. Auf den Sockel legten sie einen Stein!
Zu den umfangreich sanierten historischen Gebäuden, die alle unter Denkmalschutz stehen, kamen in den 90er Jahren zahlreiche neue Gebäude auf dem Gelände hinzu, das nun „Wissenschaftspark Albert Einstein“ heißt: Deutsches GeoForschungsZentrum, Astrophysikalisches Institut Potsdam, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Weltweit bekannt wurde z. B. das GeoForschungsZentrum Potsdam, das ein Konzept entwickelt hat, das die Vorwarnzeit bei einem Tsunami durch Echtzeit-Datenübermittlung deutlich verkürzt hat.
Abschließend empfiehlt Herr Dr. Arlt den Blick vom Fuchsberg in Glindow, um die beeindruckende Gesamtanlage zu würdigen.
Begibt man sich als Wanderer auf das Gelände, so findet man an den verschiedenen Stationen informative Hinweise. Unser Verein wird aber im kommenden Frühjahr die exklusive Chance nutzen können, von dem Bruder des Referenten, Herrn Kurt Arlt auf dem „Wissenschaftspark Albert Einstein“ geführt zu werden. Auch die Sternwarte in Babelsberg werden wir besuchen.
Nach dem Eintauchen in diese beeindruckende wissenschaftliche Welt, die auch schon zu früheren Zeiten bedeutend war, bedanken sich die Mitglieder und Frau Bolte sehr, sehr herzlich bei Herrn Dr. Arlt für seinen großartigen Vortrag.
Hatte Herr Dr. Arlt bedauernd auf den Abriss der Schinkelschen Sternwarte hingewiesen, so ergänzt Frau Bolte im anschließenden Gespräch, dass in der neuen Ausstellung: „Berlins vergessene Mitte“ im Ephraim-Palais noch viele weitere Beispiele von Abrissen in der Stadt beklagt werden. Wenn Interesse besteht, könnte man eine Führung durch diese Dokumentation im neuen Jahr planen.

Am 1. Advent, am 28. November, findet von 15-19 Uhr der Weihnachtsmarkt auf dem Wilhelmplatz statt, nachdem vormittags im Festgottesdienst die neue Orgel eingeweiht wird.
Da man immer wieder hört, dass alt eingesessene Wannseer noch nichts von unserem Verein erfahren haben, sollte der Verein dort auch präsent sein. Als Material werden Infozettel und ein paar Exemplare des so genannten Jahrbuches wie auch das letzte Kiez-Magazin ausliegen. Frau Bolte hofft nun sehr auf die Unterstützung der Mitglieder, d.h. dass der eine oder andere sich auch zur Verfügung stellt, einfach dort zu stehen und Auskunft zu geben. Frau Kliem, Frau Srama und Herr Gertis erklären sich dazu bereit.

Hannelore Bolte

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