Um sich hautnah dem abendlichen Thema: „Maler am Wannsee“ nähern zu können, lud uns Herr Wolfgang Immenhausen in seine Galerie Mutter Fourage ein. Ausdrücklich wies er darauf hin, dass er diese Galerie mit ihren wechselnden Ausstellungen nur durch den seit 1991 bestehenden „Verein der Freunde der Galerie Mutter Fourage e. V.“ unterhalten könnte.
Bei der Begrüßung würdigte Frau Bolte Herrn Immenhausen auch wegen seiner Verdienste um die Gründung der Max-Liebermann-Gesellschaft, die es unter großen Schwierigkeiten geschafft hat, das Seegrundstück für die Öffentlichkeit zurückzugewinnen, die Liebermann-Villa samt Garten wiederherzustellen und als ein Museum zugänglich zu machen.
Herr Immenhausen führte uns dann sehr lebendig in die hiesige Lebenssituation ein, die ab 1860 für Künstler interessant wurde.
Schon Theodor Fontane hatte nach einem Ausflug an die beiden Seen, an den „Wannensee“ und an den damals noch „Stolper Loch“ genannten Kleinen Wannsee prophezeit, dass sich hier bald „die Sommerwohnungen vieler unserer Residenzler erheben“ werden. Tatsächlich holte Wilhelm Conrad wohlhabende Berliner Bürger, denen es im bevorzugten Wohngebiet im Tiergarten schon zu eng, zu städtisch wurde, zunächst für die Sommermonate an den Wannsee. Es wurden kleine Sommerhäuser errichtet, aber bald kamen berühmte Architekten: Hermann Ende, Wilhelm Böckmann, Adolf Heyden, Walter Kyllmann. Letzterer konnte 1869 Grundstücke von Conrad erwerben, um dort Villen zu bauen, auch für sich selbst, wo er bis zu seinem Lebensende wohnte. Der besonders durch den Bau des Anhalter Bahnhofs, aber auch der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bekannte Architekt Franz Schwechten schuf 1901 einen Landsitz für den Maler Hugo Vogel (1855-1935) in Berlin-Wannsee, in der Villenkolonie Alsen, Am Großen Wannsee 48 (leider 1955 abgerissen). Es war eins der schönsten Wassergrundstücke, das sich Hugo Vogel, dem seit 1937 auch eine Wannseer Straße (von 1890 bis 1937 Moltkestraße) gewidmet ist, vor allem durch seine von 1900-1909 entstandenen, beeindruckenden Geschichtsszenen im Hamburger Rathaus leisten konnte. Wer dieses Rathaus mit den Wandmalereien noch nicht gesehen hat, sollte das unbedingt nachholen. Hier in der Ausstellung ist ein bezauberndes Gartenbild, aber auch „Auf dem Wannsee“ zu bewundern. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Neuen Friedhof in Wannsee.
Wir erfuhren aber auch etwas über die verschiedenen Kunstauffassungen, die zu jener Zeit zu Konflikten führten. Kaiser Wilhelm II. diffamierte modernere Stilrichtungen (Expressionismus oder Impressionismus) als „Rinnsteinkunst“ und unterstützte traditionelle Kunstrichtungen wie den Historismus. Als 1892 die erste Ausstellung des norwegischen Malers Edvard Munch in Berlin durchgeführt wurde, ließ Anton von Werner, der Vorsitzende des Vereins Berliner Künstler, die Schau vorzeitig schließen. Hugo Vogel protestierte zusammen mit vielen anderen Künstlern dagegen, musste aber schließlich seine Professur an der Hochschule aufgeben.1892 wurde Vogel dann Mitglied der Akademie der Künste und schloss sich im selben Jahr der von Liebermann gegründeten „Gruppe der Elf“ an. Aus ihr ging 1898 die „Berliner Secession“ hervor, der neben Hugo Vogel und Philipp Franck auch Max Liebermann angehörte, der 1898 ihr erster Präsident wurde.
Auch der Historienmaler Karl Becker (1820-1900) vertrat als Präsident der Königlichen Akademie der Künste die alte akademische Maltradition und war ein entschiedener Gegner Max Liebermanns. Beckers Wohnhaus steht sogar noch in der Conradstraße 13 als letztes auf dem ehemaligen „Quistorpschen Dreieck“, 1880 von den Architekten Ende und Böckmann im florentinischen Stil erbaut.
Von Karl Becker gibt es noch heute im Seglerhaus am Wannsee ein Pastell mit Gouache: „Wilhelm Conrad droht dem Bootsmann“. Das Segeln war sozusagen die gesellschaftliche Klammer in der Gründungszeit der Colonie. Hier in der Galerie sind folgende Bilder ausgestellt: „Männerporträt“, „Italienischer Knabe“„Vor dem Spiegel“ und „Der Stiefel“.
Der schon erwähnte und vor allem durch sein Gemälde: „Die Kaiserproklamation zu Versailles“ bekannte Maler Anton von Werner (1843-1915) hat auch am Wannsee gelebt, zunächst in den Sommermonaten in einer Mietvilla im Quistorpschen Dreieck und später auf einem 6000 qm großen Grundstück im eigenen Haus an der Einmündung der Bergstraße in die Straße zum Löwen Nr. 5. Im Raum der Ausstellung finden wir auf der Informationstafel einen Satz dieses Künstlers als Motto „Der Wannsee mit seiner …südlich blauen Wasseroberfläche…ist schlichtweg schön.“ 1882 hat der Maler seine Familie im Garten in einer entzückenden Atmosphäre eingefangen, „ein Stück Hellmalerei auf dem Weg zum sogenannten Berliner Impressionismus…, was er offiziell verdammte“, wie Irmgard Wirth in ihrem Buch: „Berliner Malerei im 19. Jh.“ geschrieben hat. Galt in diesem Werk der Verbleib des Bildes noch als unbekannt, so hat es Herr Immenhausen im vergangenen Jahr in einem Auktionshaus entdeckt und erwerben können. Dieses Ölbild hat die anwesenden Besucher ganz besonders verzaubert. Im Hintergrund kann man noch einen Laubengang, eine weitere Turmvilla sowie eine Stele mit Kopf Kaiser Wilhelms I. (an der Kaiserstraße) ausmachen. Außerdem kann man noch die Bilder „Der Sohn Hans Anton“ und „Die Töchter des Malers“ betrachten wie auch einen Frauenkopf und den „Bassisten“.
Als nächstes zeigte Herr Immenhausen ein reizendes Bild vom 7-jährigen Knaben Oscar Begas (1828-1883), der schon in diesem Alter seinem Vater Carl Joseph Begas im Atelier behilflich war und später auch als Porträtist und Genremaler dessen Nachfolge antrat. Nach Wilhelm Conrads „Villa Alsen“ ließ sich Oscar Begas 1870/71 die zweite Villa hier in der Colonie Am Kleinen Wannsee Nr. 2 erbauen, eine wunderschöne Villa im Florentiner Stil, die leider auch nicht mehr vorhanden ist, nur noch eine Remise auf dem ehemaligen Gelände. Die Südhanglage bot eine gute Voraussetzung für die Anlage einer Weinterrasse. Was für eine großbürgerliche Welt damals hier herrschte, konnten wir an einem der erstmalig in der Galerie ausgestellten Bilder sehen: In seinem Garten befand sich eine riesengroße „Bananenstaude“. Es gab also nicht nur in Potsdam und Glienicke Gewächshäuser! Aber auch vom Künstler selbst können wir uns durch sein „Selbstporträt“ aus dem Jahre 1874 ein Bild machen.
Nach seinem Tode bestattete man Oscar Begas 1883 auf dem Alten Friedhof in der Friedenstraße mit einem großen granitenen Obelisken, da der Friedhof der heutigen Andreaskirche erst 1888 angelegt wurde. Bei weiteren Grabsteinen der Familie auf dieser Grabstätte ist ein Hinweis der Friedhofsverwaltung zu finden, dass die Steine nicht mehr standfest seien. Herr Immenhausen meinte, dass sich hier vielleicht unser Verein um die Instandsetzung kümmern könnte.
Dem wichtigsten Wannseer Maler Philipp Franck (1860-1944) wurden 2010 drei große Ausstellungen gewidmet, im Geburtsort Frankfurt/Main, im Bröhan-Museum und in der „Galerie Mutter Fourage“. Wolfgang Immenhausen hat zusammen mit Almut von Tresckow das Werkverzeichnis herausgegeben, das wir auch in unserem Archiv besitzen. Der Frankfurter Franck kam als 30-Jähriger nach Berlin. Auf einer Bahnfahrt von Berlin nach Potsdam entdeckte er das Dorf Stolpe, die Kirche und den Stölpchensee. Zunächst kam er nur am Wochenende hier raus und malte die Bauern, die Fischer, die sog. Hedeweiber, den Dorfgasthof und die badende Dorfjugend. (Auf einem Bild im Bröhan- Museum ist Frau Sramas Vater, Herr Grohmann, als kleiner Junge am Stölpchensee zu entdecken.). Sehr lesenswert ist Francks Kapitel: „Stolper Erlebnisse“ in dem „Wannseebuch“ von Brasch aus dem Jahre 1926, das Herr Immenhausen 2010 wieder aufgelegt hat. Francks frühestes Stolpe-Bild ist ein wunderschöner „Fliederbusch“ an der Kirchenmauer. Franck wählte auch die Pferdeschwemme als Motiv, etwas, was Liebermann in Holland gesucht hatte. Die Colonie Alsen interessierte Franck nicht so, aber als er die Erlaubnis erhielt, in deren Gärten zu malen, nahm er das gern an, so in Cornelie Richters oder in Arnholds Garten. Francks Absichten, hier nach Kronberger Vorbild eine Künstlerkolonie zu etablieren, scheiterten allerdings. Aber die Umgebung, das alte Dorf Stolpe mit seiner bäuerlichen Bevölkerung sowie der Wannsee und das Berliner Umland, z. B. der Spreewald, waren wichtige Quellen für seine künstlerische Tätigkeit, die er nur am Wochenende pflegen konnte. Er war sehr fleißig, nahm einen sog. „Brotberuf“ an und arbeitete als Lehrer an der Königlichen Kunstschule zu Berlin( später Staatliche Kunstschule Berlin), der er von 1915-1930 als Direktor vorstand. Er war auch Mitglied der Preußischen Akademie der Künste und Mitbegründer der „Berliner Secession“. Hier in der Galerie erfreuen uns Radierungen, aber auch wieder viele Gemälde: „Spreewälderinnen beim Spinnen“, „Fischerboote auf Rügen“, „Strandblumen“, aber auch „Kartoffelernte“, „Garten des Künstlers“, „Bootssteg am Jungfernsee“ und „Bootssteg mit Segelbooten“. Ab 1896 lebte Franck in der Königstr. in dem Haus oberhalb der Sparkasse, ehe er sich 1906 das Haus in der Hohenzollernstr. 7 leistete, wo sich heute eine KPM- Tafel befindet. Herr Immenhausen bezeichnet Philipp Franck als den wichtigsten Maler Wannsees, denn kein anderer wirkte so wie er 50 Jahre an diesem Ort. Sein Ehrengrab befindet sich auf unserem Alten Friedhof.
Max Liebermann (1847-1935) hatte, um sich die beschwerlichen Reisen nach Holland zu ersparen, 1910 das 7000 qm große Grundstück Am Großen Wannsee 42 (damals Große Seestr.) erworben. Auch wenn einige Graphiken sowie ein Pastell von Liebermann in dieser Ausstellung zu sehen sind, verwies Herr Immenhausen auf die Villa Liebermann, wo wechselnde Ausstellungen das Oeuvre präsentieren.
1910 kamen auch junge Leute nach Wannsee zum Malen, so Franz Heckendorf (1888-1962), den die vielen Gartenlokale reizte, von denen wir im ersten Raum gleich zwei Bilder sehen können. Das „Schloss Wannsee“, das unter Denkmalschutz steht, konnte 1500 Gäste bedienen. Da, wo sich heute das Loretta befindet, stand der sog. Kaiserpavillon mit einer herrlichen Terrasse, von der man einen großartigen Blick über den Wannsee hatte. Heckendorf faszinierten die Sonnenuntergänge, hier ein „Sonnenuntergang an der Havel“ aus dem Jahre 1925.
Herr Immenhausen stellte dann noch den zeitweiligen Schüler Francks, Max Kemnitz (1901-1974), vor, mit den Bildern: „Turnstunde“, „Vor der Trinitatiskirche“, „Atelierfest“, „Komm, lass uns ins Jrüne gehen!“, „Eisläufer“ und „Nach Stahnsdorf“. Auch von Herbert Kuron (1888-1951), der meist oberhalb des Strandbades Wannsee gemalt hat, findet man zwei Werke: „Im Freibad Wannsee“ und „Am Freibad Wannsee“. Der auf der Pfaueninsel geborene Alfred Liedtke (1877-1914), ein Schüler Eugen Brachts, ist mit „Fischerbooten an der Havel“ und „Märkische Seenlandschaft mit Ruderboot“ vertreten. Von Ulrich Hübner (2011 –1942) können wir das Bild: „Abendstimmung am Griebnitzsee“ bewundern.
Zuletzt ging Herr Immenhausen auf den Maler Johannes Niemeyer (1889-1980) ein, der in Steinstücken gelebt hat, wo auch zwei Straßen: „Johannes- Niemeyer-Weg“ und „Malergarten“ an ihn erinnern. Hier sind drei Pastelle ausgestellt: „Nachbars Giebel im Winter“, „Häuser in Steinstücken“ und „Der Garten des Malers“.
Frau Bolte dankte Herrn Immenhausen aufs Herzlichste für seinen großen Einsatz, uns anderthalb Stunden in die Thematik einzuführen und dann noch einmal etwa eine halbe Stunde durch die Ausstellung zu einigen Exponaten zu führen. Ich denke, man kann schon jetzt sagen, dass dieser Vereinsabend als ein ganz besonderer nachklingen wird!
Hannelore Bolte