Anfang dieses Jahres erzählte mir unser Schriftführer, dass ein Mitglied der katholischen Wannsee-Gemeinde, Herr Prof. Dr. K. Scheidl, gern für unseren Verein eine Kirchenführung in St. Michael anbieten würde. Sehr erfreut darüber verabredeten wir uns für den 14. Mai – gemäß unserer Satzung, die Geschichte Wannsees zu erforschen und kulturhistorisch bedeutsame Baudenkmäler zu unterstützen.
Es war eine so beeindruckende, intensive Führung, dass wir Herrn Prof. Scheidl sehr dankbar für seinen großen Einsatz sind. Er hat einen Bogen von der Art der märkischen Wehrkirchen hin zu dem expressionistischen Aufbruch der Entstehungszeit geschlagen. Besonders wenn man von der gegenüberliegenden Straßenseite auf den mächtigen Turm sieht, erinnert er eher an die mittelalterliche Kirche von Havelberg. Aber der Bau von Wilhelm Fahlbusch 1925 – 1927 war ein mutiger Schritt in einer Zeit, als der Historismus im christlichen Kirchenbau immer noch bevorzugt wurde. So hat Wannsees katholische Kirche eine besondere Bedeutung. Später, im Jahre 1934, hat dieser Architekt auch für die St. Antonius – Gemeinde in Babelsberg eine moderne Kirche gebaut. Übrigens ging von dieser Muttergemeinde, die zunächst nur eine kleine Kapelle besaß, die Gründung der Wannseer Gemeinde aus, wie Pater Schwierzi in der Festschrift zum 75 – jährigen Bestehen der Gemeinde betont. Statt des ursprünglich gewählten Namens Dreifaltigkeitskirche (s. die drei Helmspitzen) wurde die neue Kirche „St. Michael“, dem Kämpfer gegen das Böse, geweiht.
Unglaublich beeindruckend ist bereits am Eingang dieser Tür-Wächter St. Michael, eine Arbeit Otto Hitzbergers, die an Barlach erinnert. Im Inneren hat die Farbgebung, gekrönt von den Echtgold-Spitzbögen, eine außerordentliche Wirkung auf den Besucher. Manche von uns waren noch nie in St. Michael und selbst ich, die als evangelische Christin schon mehrfach in diesem Gotteshaus weilte, war sehr überrascht von dem Formenreichtum im Äußeren und Inneren. Wieder einmal wurde bestätigt: „Man sieht nur, was man weiß.“
Nach der Kirchen- und Turmführung wurden wir von Frau Karin Lau, der Schriftführerin, und Herrn Berthold Hannig, dem Vorsitzenden der „Freunde von St. Michael“, noch zu einer kleinen Brotzeit mit sehr schmackhaftem Brot und köstlichen Dips eingeladen. Dafür möchten wir hier noch einmal herzlichst danken, insbesondere Frau Fiechter und Frau Dr. Schmitz, die uns so freundlich bewirteten. So konnten wir auch miteinander ins Gespräch kommen, was uns alle sehr erfreut hat. Zusammenfassend bin ich sehr dankbar für diese gelungene ökumenische und zugleich kulturelle und nachbarschaftliche Begegnung!
Hannelore Bolte
Frau Karin Lau von den „Freunden von St. Michael“ hat mir dankenswerterweise gestattet, ihren Artikel über dieses Treffen in dem Kirchenblatt: “Der Apostel“ in unserem Jahrbuch abdrucken zu dürfen:
Kirchenführung für die Mitglieder des Vereins für Kultur und Geschichte in Wannsee e.V.
Am Nachmittag des 14. Mai 2011 war der Verein für Kultur und Geschichte in Wannsee e.V. in St. Michael zu Gast und zwar aus einem ausgesprochen erfreulichen Grund. Der Verein hatte den „Freunden von St. Michael“ eine nicht unbeträchtliche Spende für die Erneuerung der maroden Glocken zukommen lassen. Es hatte sich dann seitens des Kulturvereins die Bitte herauskristallisiert, doch über die Kirche St. Michael etwas mehr erfahren zu wollen; der Vorstand der „Freunde von St. Michael“ hatte sofort zugestimmt – insbesondere Professor Scheidl, zweifellos der bei weitem beste Kenner der Kirche in unserer Gemeinde. Er war es auch, der ohne zu zögern, anbot, die Gäste in das Bauwerk und seine Geschichte einzuführen.
Der Rundgang begann am Eingangsportal mit dem Relief des Erzengels Michael, mit Strahlenschwert und loderndem Haar, geschaffen von Otto Hitzberger, dessen „ekstatische Erzählweise des Expressionismus“ (Prof. Scheidl) allen Anwesenden hier und später in der Kirche sehr gut verdeutlicht wurde.
Und nicht weniger kenntnisreich erläuterte Prof. Scheidl dann beim Rundgang die Bauweise des imposanten Turms, die Strukturen des gesamten Baukörpers, die Bedeutung des Materials (märkischer Backstein). Zuvor hatte er darauf hingewiesen, dass die Kirche ursprünglich eine Dreifaltigkeitskirche werden sollte, wovon die drei zierlichen Helmspitzen des Turmes zeugen.
Im Innern der Kirche verwies Prof. Scheidl auf das Gemeinsame der beiden Vereine: Kunst und Kultur in Verbindung mit der Förderung des ökumenischen Lebens – der Hinweis auf Pater Schwierzi, der in seiner Person sozusagen das Gemeinsame verkörpere, hat sicher die Anwesenden besonders gefreut!
Schließlich unterstrich der Vortragende den Aspekt der Moderne (Einweihung der Kirche 1927) „ St. Michael war der erste katholische Kirchenbau der Moderne im Berliner Raum“ und illustrierte dies im kunst- und kirchengeschichtlichen Kontext. Wilhelm Fahlbusch, dem Architekten, war das Gesamtkunstwerk in seiner Einheit von innen und außen ein besonderes Anliegen. Die Farbgebung wurde ebenso erläutert wie die „Gold-Auflagen“ des Denkmalschutzes bei der Restaurierung 2001/2002.
Prof. Scheidl hatte angesichts der Fülle (Altar, Plastiken, Taufbecken, Deckengemälde), sichtlich Mühe, denn die Zeit reichte nicht einmal, um im Einzelnen auf die besonders wertvollen Arbeiten: Madonna, Michael, die beiden Engel an der Orgelempore (alle ebenfalls von Hitzberger) einzugehen. Auch für dessen holzgeschnitzte Kreuzwegstationen blieb nur wenig Zeit. Dass uns mit St. Michael eine besondere Kostbarkeit in Wannsee anvertraut ist, daran hatte wohl am Ende niemand Zweifel. Und dass dies den Gästen des Kulturvereins eindrucksvoll vermittelt werden konnte, dafür bedankte sich am Schluss sehr herzlich dessen Vorsitzende, Hannelore Bolte. Viele ließen sich die anschließende Turmbesteigung nicht entgehen – dann aber wartete auf uns alle im Gemeindehaus eine wunderbare Stärkung, mit köstlich frischem Brot, Dips und allerlei leckeren Beigaben – und vor allem: mit unserem Glockenwein! Frau Fiechter und insbesondere Frau Dr. Schmitz waren so richtig in ihrem Element – und aus dem ursprünglich verabredeten „Schlückchen“ wurde bei intensiven, anregenden Gesprächen doch das eine oder andere Glas! Wahrnehmbar waren alle Gäste sehr zufrieden, wir konnten auf diese Weise noch einmal für die „Glockenspende“ danken – und der Ökumene in Wannsee hat dieser Nachmittag ausgesprochen gut getan!
Karin Lau
(Fotos: Katrin Lau)