Wieder treffen sich zahlreiche Mitglieder zu einer der beliebten Sommeraktivitäten des Vereins. Herr Kurt Arlt, der uns schon von der Führung über den Telegraphenberg in Potsdam bekannt ist, wird uns die Stätte seines jahrelangen beruflichen Wirkens zeigen. Er begrüßt uns vor dem imposanten Hauptgebäude, das seit 1913 mit seinen drei Kuppeln das großzügige Gelände des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam beherrscht.
Die Geschichte der Sternwarte beginnt in Berlin, wo sie 1700 aufgrund eines königlichen Dekrets in der Dorotheenstadt errichtet wurde. Vorausgegangen war der Beschluss der deutschen Fürsten auf dem Reichstag von 1699 in Regensburg, den seit 1582 geltenden sog. gregorianischen Kalender ab 1700 als „verbesserten Kalender“ zu übernehmen. Dieser wurde am 10.05.1700 für Preußen übernommen. 1835 wurde die Sternwarte in die Nähe des Halleschen Tores in der Friedrichstadt im heutigen Kreuzberg verlegt, bevor sie 1911 – 1913 am heutigen Standort weit vor den Toren der Stadt Berlin und am Rande des Schlossparks Babelsberg neu und großzügig wieder aufgebaut wurde. Die Erstausstattung mit optischen Geräten war 1918 vorläufig beendet und wurde 1925 mit dem großen Refraktor der Fa. Zeiss Jena abgeschlossen.
Im Innern bewundern wir die ausgewogene Architektur des Gebäudes und werden auf Büsten bedeutender Wissenschaftler der Sternwarte hingewiesen. Wir bemerken auch, dass in der Sternwarte die Uhren anders gehen, und werden damit vertraut gemacht, dass für die astronomische Wissenschaft eine andere, die weltweit geltende „Sternzeit“ gilt.
Wir bewundern alte optische Geräte, die für die frühe Astronomie wichtig waren. Die Sternwarte ist stolz darauf, einige ganz besonders wertvolle Instrumente zu besitzen, mit denen z.B. die Form der Erde berechnet und nachgewiesen werden konnte, dass sie eine an den Polen abgeflachte Kugel ist. Ihrem Astronomen Johann Galle gelang 1846 die Entdeckung des Planeten Neptun mit Hilfe der hervorragenden Sternkarten der Berliner Sternwarte.
Herr Arlt führt uns dann in die Kuppeln des Observatoriums. In der mittleren und größten Kuppel ist ein Refraktor mit einer Öffnung von 65 cm zu sehen, dessen Ausmaße uns alle erstaunt. Hier erfahren wir, dass die Kuppeln aller Observatorien zur Vermeidung von tropfendem Kondenswasser mit Holz ausgekleidet sind. Sie können mit Hilfe von Elektromotoren auf Schienen gedreht werden, damit die Öffnung zur Beobachtung des Himmels zusammen mit dem Teleskop in die gewünschte Richtung gedreht werden kann. Die Teleskope selbst sind auf tief gegründete Fundamente montiert, die mit den Gebäuden nicht verbunden sind, damit keine Erschütterungen die Himmelsbeobachtungen stören können. Wir sind beeindruckt von der immer noch funktionierenden Technik, die schon seit mehr als hundert Jahren im Prinzip unverändert geblieben ist.
So bestaunen wir in der Westkuppel ein 70 cm Spiegelteleskop, das in den 50-er Jahren gebaut wurde, und in der Ostkuppel ein Spiegelteleskop von 50 cm Durchmesser. In Spiegelteleskopen wird das Licht mit Hohlspiegeln durch Reflexion gesammelt (in Refraktoren durch Linsen), wodurch größere Entfernungen und eine bessere Lichtausbeute erreicht werden.
Wir erfahren, dass seit etwa 1970 in Mitteleuropa keine ernsthaften Beobachtungen mehr unternommen werden, da die atmosphärischen Verschmutzungen dies nicht mehr zulassen und andererseits die Entwicklung des Verkehrswesens besser geeignete Orte erreichbar macht. Auf Teneriffa und insbesondere in der Wüste von Atacama in Chile sind jetzt die europäischen Observatorien eingerichtet.
Wir gehen dann zu den drei im Jahre 1913 fertig gestellten Meridianhäusern mit ihren halbkugelartigen Kuppeln, die sich in Nord-Süd-Richtung öffnen lassen. Mit den drei Teleskopen wurde bis 1960 die Position der Sterne beim Meridiandurchgang bestimmt. Die Gebäude wurden als Baudenkmäler erhalten und werden heute mit modernster Technik zu Schulungs- und Informationszwecken genutzt.
Danach kommen wir zum Spiegelgebäude mit seiner mächtigen Kuppel. Dieses wird heute als Bibliothek genutzt. Das 1932 von Zeiss Jena gebaute 125 cm Spiegelteleskop wurde 1945 abgebaut und auf die Krim geschafft. Der große Saal und die Tresorräume beherbergen nun mehr als 75 000 Bücher, Tafeln, Karten und Schätze aus den letzten 300 Jahren mit Werken von Galilei, Kopernikus und anderen großen Forschern. Im Saal beeindrucken die über drei Etagen gebauten Regale, die dem Rund des Kuppelsaals angepasst und ein handwerkliches Meisterwerk sind.
Wir beenden unseren Rundgang mit einem Blick in die zwei modernen Gebäude, Schwarzschildhaus und Leibnizhaus, mit ihren hochmodernen Laboren, Hörsälen und Werkstätten, in denen eine internationale Gemeinde von Wissenschaftlern, Studenten, Technikern und Handwerkern sich den neuesten wissenschaftlichen Herausforderungen stellt.
Voll neuer Eindrücke verabschieden wir uns mit dankbarem Beifall von Herrn Arlt, der im Ruhestand noch heute als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Astrophysik tätig ist und uns wieder einen faszinierenden Einblick in die Welt der für uns so rätselhaften Wissenschaft des Himmels und der Sterne gegeben hat.
Ulrich Locherer
(Fotos: Werner Siepmann)