Besuch des Schlosses Schönhausen

Schon unsere Anreise ist interessant: Vom Bahnhof Friedrichstraße aus fahren wir wieder einmal Straßenbahn, und zwar mit der Tram M1 durch die Friedrichstraße, Oranienburger Straße, über den Hackeschen Markt, durch den Prenzlauer Berg und Weißensee nach Pankow.

Wer das Schloss aus früheren grauen Zeiten kannte, freut sich, dieses in so anmutiger Farbe wiederzusehen.
Unsere große Gruppe wird sehr freundlich begrüßt und von der Schlossführerin Frau Mäder hervorragend durch die Zeitschichten dieses Gebäudes geführt.

1662 erwarb Sophie Theodore zu Dohna, eine gebürtige Holländerin, das Gelände, ließ die Auen der Panke urbar machen, und 1664 entstand nach Plänen von Christian Albrecht zu Dohna ein erstes Herrenhaus. Wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen war die Familie des Großen Kurfürsten häufig zu Gast, und so erwarb 1680 der General und Minister des Großen Kurfürsten, Joachim Ernst von Grumbkow, das Anwesen und ließ zwischen 1685 und 1690 das bis heute im Kern erhaltene Schloss errichten. Seine Witwe verkaufte es 1691 an den Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, der sich 1701 in Königsberg selbst die Krone als „König in Preußen“ aufsetzte. Ab 1704 ließ er von Eosander von Göthe das Schloss und den Park erweitern. Ein schiffbarer Graben, der Schönhauser Graben (s. Jahrbuch 2013), verband das Schloss mit dem in Charlottenburg. Der Nachfolger des Königs Friedrich I., der sogenannte Soldatenkönig, kümmerte sich nicht um diesen Besitz, aber die Gattin des Kronprinzen, Elisabeth Christine, verliebte sich in Schönhausen. Nach der Thronbesteigung Friedrichs II. wurde ihr das Sommerschloss geschenkt, das sie von 1740 – 1797 jedes Jahr nutzte. Während des Siebenjährigen Krieges wurde das Schloss 1760 durch russische Truppen verwüstet, aber 1764 erhielt Elisabeth Christine die Mittel, durch Johann Boumann das Schloss zu vergrößern und in seiner heutigen Gestalt umzubauen.
Doch nach dem Tod der Königin wurde es kaum von den Hohenzollern aufgesucht, und auch nach Ende der Monarchie lag es brach, bis die Nationalsozialisten es für die sogenannte „Entartete Kunst“ als zentrales Depot nutzten, von dem aus viele Werke ins Ausland verkauft wurden.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Schloss zum Amtssitz Wilhelm Piecks, des Präsidenten der DDR, und von einer gesicherten Mauer umgeben. Nach Piecks Tod 1960 wurde das Gebäude zum Gästehaus des Ministerrats der DDR ausgebaut.

Nach dem Ende der DDR dauerte es noch bis 2005, ehe die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Schloss und Garten in Besitz nehmen konnte. Eine aufwändige Sanierung und Restaurierung brachte neue Erkenntnisse zur Bau- und Nutzungsgeschichte. Am 19. Dezember 2009 wurde das Schloss zur musealen Nutzung eröffnet, die den unterschiedlichen Zeiten Raum gibt.

Als erstes betreten wir die Audienzkammer mit dem Preußischen Rokoko, mit der „rocaille“, dem Muschelwerk, das an Türen und Spiegelrahmen zu finden ist. An der Wand können wir Teile der originalen, um 1795 hochmodernen Papiertapete mit Rosenbouquets bewundern, die wieder freigelegt wurde und an den Wandschmuck im Schloss Paretz erinnert. Eine originale Sänfte schmückt außerdem den Saal, der erst ab 1767 als Audienzzimmer diente. Ursprünglich befand er sich im 1. Stock, das wurde aber der Königin zu beschwerlich. Hier sind zwei ihrer Bildnisse zu sehen, beeindruckend vor allem eine Leihgabe des Hauses Hohenzollern, ein Altersbild der Königin im Witwenkostüm, gemalt von dem großen Porträtisten seiner Zeit, von Anton Graff. Die Bücher in ihrer Hand weisen darauf hin, dass sie eine umfangreiche Bibliothek besaß, selbst Bücher schrieb, sie ins Französische übersetzte und sich mit Philosophie beschäftigte. Auch in der daneben liegenden Vorkammer finden wir Rokoko- Supraporten mit Blumen – Stillleben, aber auch Stühle aus der frühklassizistischen Zeit sowie noch eine Papiertapete- dieser Mode in Berlin schloss sich die Königin übrigens im Alter von 80 Jahren an!
Der nun folgende Gartensaal reichte zur Zeit Friedrichs I. durch alle Etagen; erst Elisabeth Christine ließ ihn durch eine Zwischendecke teilen. Besonders sehenswert sind hier aus dem Berliner Schloss acht (oder 12?) Gemälde der „Schönheitengalerie“ von Antoine Pesne. Die Königin nahm bei ihm Malstunden und beauftragte ihn, junge Damen des Hofes bei ihren Beschäftigungen zu porträtieren. Wir sehen Sophie Marie von Pannwitz, die spätere Gräfin Voss, deren Biographie: „69 Jahre am Hofe“ von Frau Mäder sehr empfohlen wird, zumal die Gräfin auch im Dienste der Königin Luise stand.
In der daneben liegenden Weißen Kammer werden heute Kunstwerke gezeigt, die aus der ursprünglichen Schlafkammer und dem nicht mehr vorhandenen Zedernholzkabinett stammen. Hier bewahrte Elisabeth Christine Dinge auf, die ihr besonders durch die Zeit mit ihrem Mann in Rheinsberg heilig waren. Neben dem Knobelsdorffschen Bildnis Friedrichs II. als Kronprinz sehen wir das nach Friedrichs Tod 1786 angefertigte Marmorrelief von Andreas Schlott, also neben dem hoffnungsvollen Prinzen den „unsterblichen“ König.
Eine weitere besondere Tapete befindet sich im Nachbarraum, ein Fragment einer „Print-Room-Tapete“ des 18. Jahrhunderts aus China als Geschenk des Thronfolgers, Friedrich Wilhelms II., der ein regelmäßiger Gast in Schönhausen war. In der Zedernholzgalerie ist die originale Holzverkleidung von 1763/64 nur noch an den Fensterseiten erhalten. Auch hier umgab sich Elisabeth Christine mit Bildnissen ihres Mannes (Gemälde von Ziesenis und Marmorbüste von Bettkober).
Im 1. Obergeschoss werden wir mit vielen Erinnerungsstücken der Adelsfamilie Dohna konfrontiert. Aus dem großartigen Stammschloss

Schlobitten in Ostpreußen, das seit 1945 eine Ruine ist, hat der letzte Besitzer Fürst Alexander ab 1943 einen Teil des Inventars retten können. Es bietet sich die Präsentation in Schönhausen an, da dieses Schloss einst von der Familie Dohna begründet wurde. Frau Mäder verweist auf das Buch des Fürsten Alexander zu Dohna-Schlobitten (1899-1997): „Erinnerungen eines alten Ostpreußen“ (Berlin 1990), das ich ebenfalls wärmstens empfehlen kann. Besonders hervorzuheben ist, wie Fürst Dohna den größten geschlossenen Flüchtlingstreck aus Ostpreußen organisierte: Am 22. Januar 1945 brach er auf, und nach ca. 1500 Kilometer kam er am 20. März 1945 im damaligen Landkreis Grafschaft Hoya bei Bremen mit 330 Personen, 140 Pferden (darunter 31 Trakehner-Zuchtstuten) und 38 Wagen heil an. Aus der Erkenntnis heraus, dass die ehemaligen deutschen Ostgebiete auf Grund des Unrechts des Nationalsozialismus endgültig verloren seien, unternahm Fürst Dohna in den 1970er und 1980er Jahren insgesamt elf Reisen nach Polen, um das polnische Volk um Verzeihung zu bitten und um polnische Bemühungen zu unterstützen, die weitgehend zerstörten Kulturdenkmäler Ostpreußens wenigstens teilweise wiederherzustellen. Hier in Schönhausen kann man das Modell des Schlosses sehen, das als Ruine kenne, mir aber lebhaft den Charme des einstigen Besitzes vorstellen kann. Selbstverständlich war in diesen großen Schlössern in Ostpreußen auch jeweils eine Wohnung für den preußischen König reserviert. Neben dem Bild des Fürsten Alexander sind viele Familienporträts zu bewundern, wertvolle Wandteppiche und Möbel sowie Schätze der Silberkammer und ein Service der KPM, das Friedrich II. den Dohnas geschenkt hatte. Der große Saal von 1763/64 (oberhalb des Gartensaals), der mit seiner Stuckdecke, den Stuckdekorationen auf den glänzenden Flächen des Stuckmarmors hervorragend restauriert wurde, diente den Festlichkeiten der Königin wie auch den Staatsempfängen der DDR. In der Gipsmarmorgalerie die fragilen Stuckblüten wieder freizulegen, ist schwierig nach der Nutzung als Kinosaal. Uns werden noch weitere Räume gezeigt, die zu DDR- Zeiten eingerichtet wurden: das Kaminzimmer, das Staatsgäste-Appartement, in dem dann 1991 sogar Königin Beatrix bei ihrem Staatsbesuch logierte. Als letztes erblicken wir den Raum, an dem bereits Elisabeth Christine Audienzen erteilte und der das Amtszimmer von Wilhelm Pieck darstellt. Über das große, in zwei eleganten Spiralen schwingende hölzerne Treppenhaus verlassen wir das Schloss Schönhausen, das sehr verschiedene Zeitschienen vermittelt. Bei meinem Dank für die detaillierte Schlossführung drücke ich – auch im Namen der Mitglieder- Begeisterung für die großartige Restaurierung und sehr liebevolle Einrichtung dieses Hauses aus. Man kann den Besuch des Schlosses Schönhausen nur empfehlen.

Hannelore Bolte

(Fotos: Werner Siepmann)

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